Maenner und andere Katastrophen - Roman
mich um die Requisiten.«
Wir ließen uns am Werktisch nieder und arbeiteten eine Weile schweigend vor uns hin.
»Wo waren wir stehengeblieben?«, fragte Katja schließlich.
»Bei Kirsten«, erinnerte ich sie.
»Ach ja«, sagte Katja. »Über die haben wir, wie gesagt, nie wieder ein Wort verloren. Aber heute habe ich Sabine kennen gelernt.«
»Wer ist das?«, fragte ich und klebte dem Musiker einen eleganten schwarzen Schnurrbart an.
»Sie lag in meinem Bett«, sagte Katja.
»Nein!«, schrie ich empört. »Das gibt's doch nur im Film.«
»Ich war übers Wochenende bei meinen Eltern und wollte eigentlich erst heute Abend wiederkommen.« Katjas Stimme war völlig emotionslos. »Aber dann habe ich doch den Nachtzug zurückgenommen und stand um halb acht in unserem Schlafzimmer. Und da lag sie. Neben Jens, in meinem Bett. Ich weiß nicht, ob ich etwas gesagt habe oder bloß laut geatmet. Auf jeden Fall haben beide zur gleichen Zeit die Augen geöffnet.«
»Meine Güte!« schnaubte ich atemlos.
»Weißt du, was Jens gesagt hat?«
Ich konnte es mir denken. Es ist nicht das, wonach es aussieht, oder so was in der Art.
»Er hat gesagt: Du kommst aber früh.« Katja langte nach der schwarzen Plakatfarbe. »Und ob ich schon mal Frühstück machen könnte.«
So viel Unverfrorenheit hatte selbst ich Jens nicht zugetraut.
»Mag sie ihr Ei lieber hart oder weichgekocht, habe ich gefragt, und er hat gesagt, sie heißt Sabine, und du kannst sie ruhig selber fragen.« Katja klatschte eine Menge schwarze Farbe auf den Geigenkasten. »Ich hab sie gefragt, ob sie wüsste, in wessen Bett sie geschlafen habe. Wir haben gestern Abend zusammen gelernt, hat er gesagt, und da ist es ein bisschen spät geworden. Komm also bloß nicht auf die Idee, eine deiner Eifersuchtsszenen abzuziehen. Und das Mädel ist ganz genervt aufgestanden und ins Bad gegangen. Sie war völlig nackt.«
»Wir fahren sofort hin und füllen Entlaubungsmittel in seine Shampooflasche«, brüllte ich empört.
Katja grinste kläglich. »Sie hatte einen Hängebusen«, sagte sie, »obwohl sie höchstens zwanzig war.«
»Das freut mich«, sagte ich ehrlich.
»Mich auch«, sagte Katja, und wir arbeiteten ein Weilchen schweigend weiter.
Der Geigenkasten wurde phänomenal gut. Katja schnitt aus einer leeren Konservenbüchse mit einer Blechschere kleine Stückchen, aus denen sie täuschend echte Beschläge bastelte, und nachdem sie das Styropor zweimal mit Glanzlack überpinselt hatte, sah es tatsächlich aus wie ein richtiger Miniaturgeigenkasten. Aus der Konservenbüchse schnitt Katja dann eine entzückende, kleine Krone für den Meerkönig. Ich nähte an des Musikers Frack und berichtete von Kai-Uwes Abschied aus meinem Leben und Holgers Anruf in der Nacht.
»Jetzt mal ganz ehrlich«, sagte Katja schließlich. »Männer sind doch alle irgendwie gestört, oder?« Ich musste ihr beipflichten.
Katja half mir, dem Musiker den Frack überzuziehen. Er stand ihm ausgezeichnet. Ich machte mich an die Garderobe der feinen Dame. Katja wühlte in meiner Stoffkiste herum. Sie hielt ein Stück weißes Kaninchenfellimitat hoch, mit dem ein Muff von meiner Schwester gefüttert gewesen war.
»Das würde einen feinen Fuchskragen für die Wahrsagerin abgeben«, sagte sie. »Die Frage ist nur, wo ich jetzt wohnen soll.«
»Du kannst die Kiebig-Wohnung mieten«, rief ich begeistert aus. »Damit schlagen wir alle Fliegen mit einer Klappe. Du wohnst in der Nähe, du musst Jens nie wiedersehen, und wir sind den Ärger mit der Nachmietersuche los.«
»Ich denke, das wäre nicht die schlechteste Idee«, meinte Katja trübsinnig. »Es ist ja so schwierig, eine Wohnung zu finden.«
Sie nähte dem Kaninchenfellimitat zwei kleine Perlknöpfe als Augen auf und formte eine spitze Schnauze. »Obwohl die Wohnung ja genaugenommen mir gehört«, sagte sie dann. »Ich habe den Mietvertrag unterschrieben.«
Das Kaninchenfellimitat sah einem dekadenten Polarfuchskragen zum Verwechseln ähnlich und ergänzte die Garderobe der Wahrsagerin perfekt. Katja machte sich daran, der Baba Jaga einen stilechten Ofen mit Hühnerfüßen zu basteln, und ich nähte eine verfilzte Perücke für die Hexe.
Die Zeit verging dabei wie nichts. Das Telefon klingelte ein paar mal, aber wir hatten keine Lust, gestört zu werden. Deshalb zog ich den Stecker aus der Wand. Als es am frühen Abend an der Wohnungstür schellte, schreckten wir beide zusammen.
»Wenn das Jens ist«, meinte Katja, »hast du meine
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