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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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begannen. Aber als sich unsere Blicke trafen, senkte sie schnell den Kopf. Ich senkte meinen auch wieder. Ich war eine geschlagene Frau.
    Wanda mit der Wunderschere hatte ihr Vernichtungswerk vollendet und begann mit dem Styling, als sich die Tür öffnete und ein nett aussehender, junger Mann den Laden betrat. Er wurde aufgefordert, Platz zu nehmen, bis jemand Zeit hatte, sich an ihm zu vergreifen.
    »Ich bin hier gleich fertig«, sagte Wanda mit der Wunderschere zu ihm und hielt mir den Fön an den Scheitel.
    »In Ordnung«, gab der junge Mann zurück und setzte sich auf den Stuhl neben mir. Er hatte eine nette Stimme. Wirklich nett.
    Wanda knetete eine halbe Dose Schaum in meine Zotteln. Ich spürte die Blicke meines Nachbarn auf meinem Kopf und wagte alarmiert einen Blick in den Spiegel. Sollte die Verheerung noch eine Steigerung finden? Sie sollte. Der Fön, der Schaum und Wandas geschickte Hände hatten den nassen Mob zu einem gigantischen Haarberg aufgetürmt, der an seiner höchsten Stelle mindestens fünfzehn Zentimeter von der Kopfhaut abstand. Ich öffnete meinen Mund ungefähr genauso weit.
    »Das ist ja irre«, sagte der junge Mann beeindruckt. »Dass so was überhaupt möglich ist!«
    Ich wusste nicht, ob er damit die Maulsperre oder meinen die Gesetze der Schwerkraft außer Acht setzenden Haarberg meinte. Wanda jedenfalls nahm es als Kompliment für ihre Frisierkünste.
    »Die hätten Sie mal vorher sehen sollen«, sagte sie geringschätzig.
    Ich zuckte zusammen. Der junge Mann musterte mich eingehend.
    »Ja, man kann kaum glauben, dass das derselbe Mensch ist«, sagte Katja von der Seite und lachte schallend, was ich ihr bis heute nicht verziehen habe.
    »Noch etwas Make-up, und sie sieht beinahe hübsch aus«, erfrechte sich Wanda mit der Wunderschere zu sagen und lief zum klingelnden Telefon. Ich sagte immer noch nichts. Der junge Mann beugte sich näher zu mir hinüber.
    »Und ich hab immer geglaubt, einen schönen Menschen kann nichts entstellen«, meinte er grinsend und hob eine meiner Haarsträhnen vom Boden auf.
    Ich sah unter meinem Zottelberg zu ihm und stellte fest, dass er fast so blaue Augen wie Burghart hatte, und wunderschöne braune Locken kringelten sich um seine Stirn und seine Ohren. Zu anderen Zeiten und unter anderen Umständen hätte ich ihn sicher angelächelt. So aber blickte ich ihn nur stumm und verzweifelt an. Möglich, dass sich eine Träne aus meinem Augenwinkel gelöst hat und langsam die Wange hinabrollte. Jedenfalls erhob sich der Mann plötzlich, als Wanda mit einer Flasche Haarspray vom Telefon zurückkam.
    »Ich komme ein anderes Mal wieder«, sagte er zu ihr, lächelte mir zu und verschwand.
    Ich seufzte. Wenigstens seine Locken hatte ich gerettet. Und meine Haarsträhne musste er ebenfalls mitgenommen haben.
    »Man kann die Menschen zu ihrem Glück nicht zwingen«, meinte Wanda und benutzte das Spray, um den Haarberg für immer auf meinem Kopf festzubetonieren.
    Abschließend zeigte sie mir mit einem Handspiegel, wie ich von hinten und von der Seite aussah. Ich hatte es mir genauso vorgestellt. Trotzdem wurden mir die Knie ganz weich. Nur mühsam erhob ich mich von meinem Stuhl und stand apathisch daneben, während Katja anstandslos die Bezahlung mit ihrer Eurocard übernahm.
    »Du solltest es nicht so schwernehmen«, sagte sie. »Es hätte auch noch schlimmer kommen können. Immerhin ist dein Haar nicht grün.«
    Ich bedachte sie mit anklagenden Blicken und schlurfte mit gesenktem Kopf hinter ihr her. Sicher zeigten die Leute mit Fingern auf mich.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Katja, als wir wieder im Auto saßen.
    »Ich will nach Hause und den Kopf unter Wasser halten«, sagte ich weinerlich. »Außerdem bin ich müde.«
    »Noch ist nicht alles erledigt«, sagte Katja unternehmungslustig. »Du kannst mitkommen und mir helfen, meine Wohnung zu entrümpeln.«
    »Wie meinst du das?«, fragte ich und heulte mein Abbild im Beifahrerspiegel an.
    »Entrümpeln, klar Schiff machen, den überflüssigen Unrat beseitigen«, erklärte Katja, »Jens rausschmeißen.«
    »Bist du ganz sicher?«
    »Absolut.«
    Ich hörte auf zu heulen.
    Jens lächelte freundlich, als er uns die Tür öffnete. Er tat so, als wäre Katja niemals weg gewesen.
    »Beim Friseur gewesen?«, fragte er. »Sieht wirklich klasse aus, Mäuschen.«
    »Danke«, antwortete Katja und ging an ihm vorbei.
    »Und dich hat wohl das blinde Lehrmädchen bedient?«, sagte Jens und lachte sich halbtot.
    Ich

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