Männer unerwünscht (German Edition)
erinnerte mich damit wieder an mein Missgeschick, das für einen Moment nicht in meinem Hirn herumgespukt hatte. Patzig entgegnete ich, dass ich niemals wieder auf Victorias Sohn aufpassen würde, komme was wolle, und ließ sie mit vor Staunen kugelrunden Augen st e hen.
Schon war Rita zur Stelle. Ihre Lesestunde war beendet, und jetzt klimperte sie unternehmungslustig mit den Autoschlüsseln.
„Doris? Kommst du? Ich möchte jetzt gern los.“ Ganz im Gegensatz zu mir. Rita freute sich so auf diesen Abend. Reiß dich zusammen, Dorissack, und lass nicht andere unter deiner schlechten Laune leiden.
„Ja, klar“, gab ich betont fröhlich zurück. Ich hielt es nicht für notwendig, mich umzuziehen und latschte sodann hinter Rita her zum Auto. Uschi stellte ihren Schwestern die klapprige Ente bereitwillig zur Verfügung, sofern sie nicht selbst damit losmusste. Leider war das heute Abend nicht der Fall.
Rita war mal wieder mega-schlotterig gekleidet. Getreu dem Motto: B loß die Weiblichkeit verbergen, je schlabberiger desto besser. Ich hülle mich in Säcke, damit ich aussehe wie ein Neutrum.
Und schon rol lten wir vom Grundstück, d en Frauen-an-die-Macht entgegen. Diese versammelten sich in einem eigens dafür angemieteten Raum, der sich in einer stillgelegten Fabrik befand. Als wir eintr a fen, standen schon etliche Autos auf dem Parkplatz. Alle mit Aufklebern. Alle verrostet.
Einem uralten Peugeot, der quietschend neben uns einparkte, entstiegen drei Grazien. Lange, glatte Haare und bodenlange Batik kleider, Jesuslatschen an den nackten Füßen. Widerstrebend stolperte ich mit Rita hinter den drei Gespenstern her.
Den Versammlungsraum hatten sie aber toll hergerichtet! Grellbunt gestrichen und mit Bildern b e kannter Persönlichkeiten dekoriert. Selbstverständlich ausschließlich weiblicher. Die übrigen freien Flächen zierte das Frauen-an-die-Macht-Logo: eine lilafarbene ge ballte Faust auf baby rosa Untergrund. Etwa dreißig Damen standen in lockeren Grüppchen beieinander. Stieß ein e neu Angekommene dazu, wurde sie so überschwänglich begrüßt, als sei man Jahre getrennt gewesen. Umarmungen, Küsschen hier und Küsschen da. Das war eine Gemeinschaft! Alle hatten sich lieb.
Rita steuerte auf eine Gruppe zu, von denen ich die meisten als meine Umzugshelferinnen wiede r erkannte.
„Ach halloooo, ihr beiden! Dooooris, wie schöööön, dass du dabei bist!“ Nach Rita wurde auch ich herzlich empfangen. Man fiel mir um den Hals, als sei ich so eben aus höchster Lebensgefahr gerettet wo r den.
Eine Umzugshelferin, an deren Namen ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern konnte, hauchte mir mit umwerfendem Knoblauchatem ins Ohr: „Hoffentlich wirst du Mitglied bei uns. Wir brauchen unbedingt noch Leute. Du ar beitest doch in d em grauenhaften Billig- Schuhladen, oder?“ Ich nickte beklo m men. Was hatte Bruno mit diesem Verein zu tun?
„Ich habe mir überlegt, dass das sehr nützlich für unsere Gruppe wäre. Du könntest Handzettel an deine Kundinnen ausgeben. Und in Verkaufsgesprächen geschickt die Frauen-an-die-Macht erwähnen. Wenn du merkst, dass die entsprechende Kundin Interesse zeigt, nagelst du sie gleich fest. Ich gebe dir eine Liste der Daten und Inhalte unserer nächsten Veranstaltungen mit, und du orderst deine Kundinnen hier her. Als Anreiz könntest du ihnen die Schuhe ja einen Tick billiger verkaufen. Dann fühlen sie sich verpflichtet und müssen kommen. Und ich sage dir, wenn sie erst einmal hier erscheinen, dann sind sie dabei. So wie du.“
Knoblauch-Elli sah mich verzückt angesichts der durch meine Hilfe in die Höhe schnellenden Mi t gliederzahlen an. Hatte die ne Ahnung! Ich stellte mir Brunos Gesicht vor, wenn ihm ein solche s Werbe blatt in die Hände fiel. Na, der würde bestimmt bekeistert sein. Und mir den ganzen Stapel Zettel samt dem Ka r ton mit den „Frauen-an-die-Macht“-Buttons um die Ohren hauen. Und mich anschließend rausschmeißen. Auf Nimmerwiedersehen. Fräulein Sackkkkeine Propakanda in meinem Keschäft!
Ich kam nicht mehr dazu, etwas zu erwidern, denn eine Frau war ans Rednerpult getreten und bat um Ruhe. Die anderen ließen sich augenblicklich auf ihre mitgebrachten Wolldecken nieder. Im Schneide r sitz oder freundschaftlich aneinander gelehnt. Einige hielten sich an den Händen. Konzentriert und mit g e öffneten Lippen lauschten sie der Ansprache der Vorturnerin, als empfingen sie die Offenbarung.
A uch Rita hatte eine Decke mitgebracht .
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