Männer unerwünscht (German Edition)
dem Gespräch schon mit einem netten „Hallo?“ auf die Sprünge helfen wollte, erklang endlich wieder die Stimme an meinem Ohr. Genauso gelangweilt-gedehnt wie zuvor, und obendrein mit einem genervten Unterton.
„Hier ist Rita. Was gibt’s?“
„Oh - hier spricht Doris Sack“, stammelte ich. Mann, war das schwierig !
Endlich konnte ich Rita über den Grund meines Anrufs aufklären. Ich hatte angenommen , dass sie durch die Aussicht auf eine neue Mitbewohnerin nun etwas mehr aus sich herauskäme, aber Fehlanzeige. Sie gab mir eine knappe Wegbeschreibung nach Kuhstedt durch, einem Dorf, von dem ich noch nie gehört hatte, und das sich ungefähr zwanzig Kilometer von der Stadtmitte entfernt befinden sollte. Dann legte sie grußlos auf.
Ratlos hielt ich den Hörer in der Hand und lauschte dem anhaltenden Piepton. Schließlich legte auch ich auf. Energisch ignorierte ich den Anfall von Mutlosigkeit, nahm meinen alten Heimatfaltplan zur Hand und breitete ihn auf dem Fußboden aus. Dann bemühte ich mich, Ritas Wegbeschreibung nachzuvollziehen.
Ich kannte mich im Landkreis so gut wie überhaupt nicht aus, denn ich hatte die gesamten fünfun d zwanzig Jahre meines Lebens in der Stadt verbracht. Zuerst bei Muttern in der Hökerstraße, kurzzeitig u n terbrochen von einem gescheiterten Versuch, mich auch räumlich mit dem männlichen Geschlecht zu vere i nen. Als Mama nach Bayern auswanderte, war ich in die kleine Wohnung in der Industriestraße gezogen.
Nach langem Suchen fand ich schließlich den gesuchten Ort auf der Karte. Der Name Kuhstedt war so klein gedruckt, dass ich ihn wohl ein paar Mal übersehen hatte.
Eine Frauen-Wohngemeinschaft weit draußen auf dem Lande ... Widersprüchliche Gefühle tobten in mir. Ritas gelangweilte Stimme aus meinem Gedächtnis vertreibend, war ich sehr neugierig auf die anderen Mitbewohnerinnen. Welch völlig neue Erfahrung würde es für mich sein, mit gleich gesinnten Frauen unter einem Dach zu wohnen!
Bilder von gemeinsamen Mahlzeiten am blank gescheuerten Massivholz-Küchentisch und bescha u lichen Abenden mit einem Becher Tee vor dem knisternden Ofen tauchten vor meinem inneren Auge auf. Meine Genossinnen und ich würden anregende Gespräche führen, die mir ganz neue Sichtweisen eröffn e ten. Wir würden gemeinsam durch dick und dünn gehen.
Das größte Problem bei diesem Vorhaben war die Entfernung. Ich hatte keine Ahnung, wie sich Landbewohner ins Stadtinnere bewegten, doch ich ging davon aus, dass ein Großteil von ihnen im Besitz eines Autos war. Der Rest wurde entweder mitgenommen oder musste auf öffentliche Verkehrsmittel z u rückgreifen. Na klar! Warum war ich nicht gleich darauf gekommen? Sicher gab’s nach Kuhstedt eine Bu s verbindung, denn Kuhstedter ohne Auto oder Mitfahrgelegenheit mussten schließlich auch irgendwie in die Stadt gelangen.
I ch würde angesichts des längeren Anfahrtswegs früher aufstehen müssen, um pünktlich zum A r beitsbeginn um 8 Uhr 30 beim Schuhladen zu sein, doch das musste ich in Kauf nehmen.
Ich malte mir aus, wie am frühen Morgen die Sonne in mein weit geöffnetes Fenster schien, der Duft von frischer Landluft mein Zimmer erfüllte und ich dem Krähen des Hahns lauschte, während ich mir ve r schlafen aber glücklich die letzten Spuren einer erholsamen Nachtruhe aus den Augen wischte.
Mit einem Satz würde ich aus meinem mit rotweiß-kariertem Leinen bezogenen Daunenbett springen und barfuß über den knarrenden Dielenfußboden ins angrenzende Bad laufen. Dort würde ich mich unter die eiskalte Dusche stellen, meine erfrischte Haut mit einem groben Handtuch trocken rubbeln und sauber und frohgemut am liebevoll gedeckten Küchentisch erscheinen. Meine Freundinnen wären schon um die Tafel versammelt und reichten mir abwechselnd den Brötchenkorb, die frische Landbutter und die selbst gemachte Marmelade. Ich würde den gehäkelten Eierwärmer von dem Ei aus Freilandhaltung nehmen und mir aus der Milchkanne ein Glas voll frischer Kuhmilch einschenken.
Die romantische Vorstellung vom Landleben (obwohl ich weder frühes noch zügiges Aufstehen, kalte Duschen, grobe Handtücher, geschweige denn frische Kuhmilch mochte) in Gesellschaft meiner G e schlechtsgenossinnen bestärkte meinen Entschluss, heute auf jeden Fall einen Ausflug nach Kuhstedt zu ma chen.
2
Es war herrliches Wetter – der erste Frühlingstag in die sem Jahr. Unter mir tobte der Straßenverkehr, der an diesem Vormittag um einiges dichter als
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