Männer unerwünscht (German Edition)
Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand ne h men, imponieren mir.“
„ Nun , aber ...“, begann ich stockend .
„Erzählen Sie mir von sich und Ihren Mitbewohnerinnen“, bat die alte Frau. I ch meinte, ein Leuchten in ihren blassblauen Augen zu sehen. Also berich te te ich: von meinen Schwestern, dem WG-Alltag und me i nem Job. Zwischendurch stockte ich: Vielleicht langweilte sie sich? Doch das Gegenteil schien der Fall. Sie war geradezu entwaffnend neugierig, aber nicht von dieser aufdringlichen Wissbegierde diverser anderer Dorfbewohner. Sie wirkte ehrlich interessiert an meinem Leben, als hätte sie sich einen solchen Werdegang für sich selbst gewünscht.
Als ich schließlich endete, denn ich wollte nicht sämtliche Einzelheiten meines Privatlebens vor ihr ausbreiten, begann sie mit ihrer eigenen Geschichte. Sie berichtete von ihrem Mann, den sie in den Nac h kriegswirren kennen gelernt hatte, ihrem Leben als hart arbeitende Bäuerin, ihren zwei Töchtern und ihrem „Ausstieg“. Als ihre Kinder nämlich flügge geworden waren, wurde sie es auch: Sie ließ ihren Gatten samt Hof zurück und begann ein neues Leben.
„Ich hatte es schon seit vielen Jahren satt, die Dienstmagd zu spielen“, erklärte sie.
Inzwischen hatten wir den Eistee-Krug geleert. Es war merkwürdig , aber ich fühlte mich in Gesel l schaft der alten Frau, die sich als Annemarie Schulz vorgestellt hatte, und im schummrigen Nebenzimmer ihres wenig ansprechenden Gemischtwarenladens erstaunlich wohl. Es machte mir Spaß, mit ihr zu pla u dern und ich merkte, wie die Spannung des Tages von mir abfiel. Wir wurden von keinem einzigen Kunden gestört. Kein Wunder, wer kaufte hier schon ein?
Ich hätte sie gern gefragt, wie sie zu diesem Laden gekommen war und sie auf ihr Warensortiment angesprochen, doch es war schon spät. Ich hatte Steff versprochen, ihr heute Abend dabei zu helfen, ein paar Regale in ihrem Zimmer anzubringen, deshalb musste ich gehen. Sicher fragten sich meine Schwe s tern schon, wo ich so lange blieb.
„Kommen Sie bald wieder, Fräulein Doris!“ , rief Frau Schulz zum Abschied. Spontan sagte ich zu. Irgendwie hatte die alte Dame es mir angetan.
Am Freitagabend, pünktlich um halb acht, rumpelte Holger über unsere buckelige Auffahrt. Auf halber Str e cke hielt er an. Vermutlich wusste er nicht, wo das „Kein Mann über unsere Schwelle“ begann und hatte Angst vor wildgewordenen Furien, die hasserfüllt seine Reifen zerstachen. Aussteigen unterließ er siche r heitshalber und drückte langanhaltend auf die Hupe.
Alle Schwestern standen an der Haustür, als ich sie verließ, um dem Auto eines Mannes entgege n zueilen.
„Dann viel Glück mit dem Arzt“, murmelte Bärbel bedrückt.
„Mach keine Dummheiten!“ Uschi klopfte mir traurig auf die Schulter.
„Das hätte ich nicht von dir gedacht“, bemerkte Steff.
Die Szene hatte echt was Tragisches. Als wenn ich in diesem Moment dem heimatlichen Nest en t fliehen würde. Manchmal übertrieben meine Schwestern maßlos. Ich rannte zu Holgers Flitzer und winkte meinen Genossinnen über die Schulter zu. Aus dem Augenwinkel nahm ich vier zusammengesunkene, sich gegenseitig stützende Gestalten wahr.
Aufatmend ließ ich mich in die speckigen Polster neben Holger sinken. Er trug wie ich alte Jeans und ebenso alte Turnschuhe. Sein blassblaues Polohemd hatte auch schon bessere Tage gesehen.
„Das war ja ne süße Abschiedszeremonie“, meinte er lachend.
„Meine Schwestern sind sehr besorgt um mein seelisches Wohlergehen. Sie haben Angst, dass ich vom Pfad der Tugend geraten könnt e“, klärte ich ihn auf.
„Bist du da jemals drauf gewesen? Auf dem Pfad?“ Er kicherte albern.
„Selbstverständlich. Ich befinde mich nach wie vor mitten darauf“, antwortete ich ernsthaft. Holger sah mich zweifelnd an und versuchte, in meinem unbewegten Gesicht zu lesen.
Plötzlich kam ein riesiges schwarz-weißes Monster mit rasender Geschwindigkeit auf uns zu. Ich schrie. Es dauerte den
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