Maenner weinen nicht
altern!
Der 74-jährige Bauunternehmer Frank Wedel aus Köln hat in seinem Leben schon mehrere Depressionen durchlebt, ausgelöst durch persönliche Krisen. Vor einem halben Jahr jedoch schien sich alles zum Guten gewendet zu haben: Der 20 Jahre dauernde Prozess und die damit verbundenen Schadenersatzansprüche in Millionenhöhe waren endlich abgewendet. Seine Frau hatte sich entschieden, weniger zu arbeiten und mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Und er war zum neunten Mal Großvater geworden. Wedel hätte es gut gehen können. Doch das Gegenteil war der Fall: Der Exbauunternehmer erlitt erneut eine depressive Phase. Waren es am Ende die Scham und die Kränkungen, die Vorwürfe und die Kämpfe, die er in dem 20-jährigen Prozess durch- und erlitten hatte und die ihn mit dem Ende des Rechtsstreits einholten? Oder hatten sein schwächelndes Herz und die damit im Raum stehende eigene Hinfälligkeit doch mehr an der Seele gekratzt, als Wedel es wahrhaben wollte? Möglicherweise war es von allem etwas.
»Es ist nicht ungewöhnlich, dass Männer – mit oder ohne erhöhtes Risiko für eine Depression – eine depressive Episode erleben, wenn sie sich mit dem Älterwerden auseinandersetzen«, sagt Depressionsforscher Manfred Wolfersdorf. Die Motivation dafür ist zweitrangig. Ganz gleich, ob es freiwillig geschieht oder die nachlassenden Kräfte die Männer zu diesem inneren Dialog zwingen – ihre sinkende Lebenskraft macht ihnen deutlich, wie vergänglich das Leben ist.
Es liegt offenbar in der Natur der Sache, dass Altern auch in der Gesellschaft als eine Medaille mit zwei Seiten angesehen wird: Der mittlerweile 80-jährige Karl Lagerfeld gilt nach wie vor als einflussreicher Modeschöpfer. Otto Rehhagel wird mit 73 Jahren aus dem Ruhestand geholt, um dem angeschlagenen Berliner Verein Hertha BSC – wenn auch letzten Endes vergeblich – zum Verbleib in der Bundesliga zu verhelfen. Der seit dem Frühjahr 2012 amtierende Bundespräsident Joachim Gauck war bei seiner Wahl bereits 72 Jahre alt. Christopher Plummer nimmt im Februar 2012 mit 82 Jahren einen Oscar entgegen – und zwar nicht für sein Lebenswerk, sondern als bester Nebendarsteller im Film Beginners . Damit ist er der älteste Gewinner, der die Trophäe jemals in den Händen hielt.
Auf der einen Seite also gilt der alte Mann als weise, hat Lebenserfahrung und hier und da den Ehrenvorsitz inne. Andererseits baut er körperlich langsam ab. Umgangssprachlich ist man dann ein »alter Hut« oder »sieht alt aus«. Depressionsexperte Wolfersdorf fasst das Dilemma in seinem Buch Depressionen im Alter treffend zusammen: Viele Menschen erfreuen sich an Oldtimern, aber kaum jemand möchte ständig in einem alten Auto umherfahren.
Den Männern von heute mag es noch schwerer fallen als ihren Vätern, sich dem Thema Altern versöhnlich zu nähern. Denn die silberne Generation ist so fit wie nie zuvor. Zu keiner Zeit lebten Männer länger als heute. Sie arbeiten oft bis weit über das 65. Lebensjahr hinaus. Und wer in Ruhestand geht, sucht sich wie Frank Wedel neue Aufgaben, die für die gewünschte Anerkennung bis ins hohe Alter sorgen. Die Alten von heute gehen surfen, snowboarden oder klettern, sie studieren noch einmal, erlernen ein Instrument oder erklimmen ihren ersten Sechstausender. Es kann die männliche Seele also zutiefst treffen, wenn in dieser Lebensphase Gesundheit und Leistungsfähigkeit langsam nachlassen und den Mann zwingen, sich zu schonen und seinem Alter gemäß zu leben.
Die psychischen Probleme können sich noch einmal verstärken, wenn den Mann die Konsequenzen des Alters völlig überraschend treffen. Beispiel Job:Genau wie bei jüngeren kann auch bei älteren Männern die berufliche Situation einen gravierenden Einfluss auf das Selbstwertgefühl und damit auch auf das Seelenleben haben. Für viele geht mit Beginn des Rentnerdaseins auch ein wichtiger sozialer Halt verloren. So freut sich keineswegs jeder auf seinen Abschied aus der Firma.
Denn so viel ist sicher: Mit dem ersten Tag der Rente verändert sich das Leben komplett. Bisher strukturierte die Arbeit einen Großteil des Alltags, sorgte für Sinn und Befriedigung, für Freude, Frust und Kontakte. Von einem auf den anderen Tag ist damit Schluss: Die Kollegen arbeiten ohne einen weiter, niemand braucht Rat oder fragt nach dem über die Jahre angesammelten Wissen. Weder Dienstreisen noch Abteilungstreffen, keine Verabredungen zum Mittagessen und keine Einladungen zur Weihnachtsfeier mehr
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