Maenner weinen nicht
Robert Gibbons von der Universität Chicago und seine Mitstreiter die Daten von über 9000 Patienten, darunter 708 Jugendliche, aus 41 Studien reanalysiert. Die Forscher widersprachen mit ihren Ergebnissen den früheren Veröffentlichungen. Experten zufolge sollten Kinder dennoch nie Medikamente verschrieben bekommen, ohne gleichzeitig auch eine Psychotherapie zu erhalten.
Aufgrund der aktuellen Daten von Gibbons & Co. könnten die Suizid-Warnhinweise für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene auf den Beipackzetteln einiger Antidepressiva hinfällig sein. Grund für diese drastische Maßnahme war eine 2003 veröffentlichte Studie, die eine geringe, aber signifikante Zunahme von Suizidgedanken bei jungen Probanden ermittelt hatte. »Suizide sind bei Kindern unter zwölf Jahren sehr selten, nehmen dann aber deutlich zu«, erklärt der Depressionsforscher Manfred Wolfersdorf. Als Gründe nennen die Teenager Gefühle wie Einsamkeit und sich nicht geliebt fühlen, Wut, Ärger und Enttäuschungen.
Die drastische Maßnahme der FDA hatte jedoch ungeahnte Auswirkungen: Danach sank in den USA die Diagnose Depression bei Teenies um mehr als ein Drittel, bei Kindern um knapp die Hälfte. SSRI wurden viel seltener rezeptiert. Gleichzeitig stiegen die Suizidraten. »Diese unerwünschten Folgen der Warnung sind fatal«, sagt Wolfersdorf. Denn die größte Gefahr für einen Suizid sei noch immer die Nichtbehandlung einer Depression. Das bestätigte auch die Neurowissenschaftlerin Anita Thapar von der Universität Cardiff jüngst in der Ärztezeitschrift The Lancet. Neben einem erhöhten Suizidrisiko nehmen junge Leute mit einer unbehan-
delten Depression häufiger Drogen, haben vermehrt große soziale und schulische Schwierigkeiten und teils lebenslange Gesundheitsprobleme.
Einmal diagnostiziert, hat sich übrigens die kombinierte Behandlung aus Pillen und Gesprächstherapie als besonders effektiv erwiesen. Vor allem die sogenannte Kognitive Verhaltenstherapie zeigt gute Erfolge. Hierbei lernen die jungen Leute positives Denken und Strategien zur Problembewältigung.
Hilfe aus der Natur
Hilfe kommt auch von Mutter Natur: Mit Johanniskraut schaffen es viele Patienten, sanft ihrem Stimmungstief zu entkommen. Johanniskraut ist das einzige pflanzliche Medikament, das nachweislich antidepressiv wirkt. Wahrscheinlich ist Hyperforin der entscheidende Bestandteil; es verhindert ähnlich wie die zahlreichen synthetischen Medikamente, dass die Transmitter Serotonin, Noradrenalin, GABA (Gamma-Aminobuttersäure), Dopamin und Glutaminsäuren wieder in die Nervenzellen aufgenommen werden, und erhöht so deren Konzentration im Gehirn. Johanniskraut wirkt übrigens – wie die allermeisten Antidepressiva auch – verzögert: Rechnen Sie mit etwa zwei Wochen.
Lange traute die Wissenschaft dem Stoff lediglich Effekte bei leichten bis mittelschweren Depressionen zu; mittlerweile gibt es Nachweise dafür, dass Johanniskraut auch bei starker Gemütsschwere gut wirkt. In einer Übersichtsarbeit, für die Wissenschaftler 29 Studien mit etwa 5000 Patienten ausgewertet hatten, war Johanniskraut bei einer schweren Depression ähnlich gut wirksam wie die synthetischen Antidepressiva. Gleichzeitig war der Naturstoff verträglicher.
Mediziner empfehlen, mindestens 900 Milligramm täglich davon einzunehmen; mitunter wird auf Anraten der Ärzte sogar das Doppelte geschluckt. Achtung: Johanniskraut gibt es nicht nur in der Apotheke, sondern auch in Drogerie- und Supermärkten; oft jedoch sind diese Produkte unterdosiert. Und auch wenn Johanniskraut aus der Natur kommt, es ist ein Medikament, das auch Nebenwirkungen hat. So kann es gemixt mit anderen Antidepressiva Übelkeit, Angst, Rastlosigkeit und sogar Verwirrungen auslösen. Sprechen Sie deshalb eine kombinierte Einnahme unbedingt mit Ihrem Arzt ab. Das Präparat kann auch die Wirkung anderer Medikamente stören, deshalb sollten Sie Johanniskraut in hohen Dosierungen nie eigenmächtig einnehmen. Meiden Sie Sonne und Solarium, solange Sie ein Johanniskraut-Präparat einnehmen, denn es macht die Haut empfindlich gegenüber Sonnenstrahlen.
Die Macht der Worte
Aus biologischer Sicht werden Depressionen durch das Chaos an Botenstoffen im Gehirn ausgelöst. Insofern liegt es nahe, dieses Chaos mit Hilfe von Medikamenten zu stabilisieren. Doch bei den meisten leichten und mittelschweren Depressionen ist fragwürdig, ob das etwas bringt. Geeigneter ist offenbar eine Psychotherapie – die zweite wichtige
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