Maenner weinen nicht
entdeckten die Wissenschaftler, dass ein Drittel der rund 200 untersuchten Risiko-Kinder trotz widriger Lebensumstände zu erfolgreichen und selbstständigen Erwachsenen heranwuchs. Mit 40 Jahren war von ihnen keiner arbeitslos, niemand straffällig geworden, auf Sozialhilfe oder ähnliche Unterstützung angewiesen. Trotz all der Widrigkeiten war es ihnen gelungen, eine besondere Widerstandsfähigkeit zu entwickeln. Die Psychologin Emmy Werner folgerte daraus: Der Lebensstart in einer Risikofamilie bedeutet nicht zwangsläufig, dass man sich zu einer Person mit großen Problemen entwickelt.
Die Wissenschaftler begaben sich auf die Suche nach den Gründen, die die Kinder immun gegen die widrigen Umstände gemacht hatten. Sie fanden unter anderem heraus, dass eine enge emotionale Bindung zu jemandem außerhalb der engsten Familie wie einem Onkel, der Lehrerin, dem Pfarrer oder einer anderen vertrauenswürdigen Person vor späteren Problemen schützt. In diesem sicheren und liebevollen Umfeld entwickelten die Kinder Selbstvertrauen und die Fähigkeit, Probleme und soziale Konflikte eigenständig und selbstsicher zu lösen. Aber auch die Großfamilie, soziale Netzwerke wie Jugendgruppen oder eine Gemeinde, in denen die Heranwachsenden Verantwortung übernehmen, halfen, im späteren Leben innerlich stark zu sein.
Zusätzlich zu diesen äußeren Faktoren erkannte Werner auch persönliche Eigenschaften als besonders vorteilhaft: Die Kinder, die sich resilient zeigten, waren neugierig, offen und flexibel, sie hatten eine positive, optimistische Einstellung zum Leben und waren besonders aktiv. Mit anderen in Kontakt zu treten und Konfliktsituationen zu lösen, war für sie daher ein Leichtes.
Alle Schutzfaktoren, so Werner, wirkten nie einzeln. Vielmehr beeinflussten sie sich je nach Lebensabschnitt gegenseitig und waren über die Zeit unterschiedlich bedeutsam – und hatten auch abhängig vom Geschlecht eine unterschiedliche Bedeutung. Mädchen waren insgesamt widerstandsfähiger als Jungen; bei ihnen stellten sich vor allem die für die Resilienz wichtigen Charaktermerkmale wie Offenheit, Zuversicht und Optimismus als schützend heraus. Resiliente Jungen dagegen zeigten seltener typisch männliche Charakterzüge wie Aggression, Risiko- und Gewaltbereitschaft. Für sie spielte die externe Bezugsperson eine besonders wichtige Rolle, um später gut durchs Leben zu kommen.
Resilienz bekommen wir einerseits mit in die Wiege gelegt. Andererseits wächst jedes Kind in unterschiedliche familiäre, persönliche und äußere Umstände hinein und wird hier gefördert – oder nicht. Doch die Entwicklung der seelischen Widerstandskraft hört nicht mit der Kindheit auf. Jeder Mensch kann gezielt trainieren, eine innere Schutzhaut aufzubauen und diese zu stärken.
Die Forschung zeigt, dass es Erwachsenen leichter fällt, ihre Widerstandskraft zu schulen, wenn sie über bestimmte Eigenschaften oder Charakterzüge verfügen. Dazu zählen Optimismus, Akzeptanz, der Wille, eine Lösung zu finden, sowie die Fähigkeiten, eine Opferrolle zu verlassen und stattdessen Verantwortung zu übernehmen, Beziehungen zu gestalten und die Zukunft zu planen. »Jeder Mensch braucht eine individuelle Mischung dieser Eigenschaften; im Zusammenspiel macht das dann die persönliche Stärke aus«, sagt Hugo Körbächer, Resilienzexperte und Trainer mit eigener Praxis im niedersächsischen Lembruch. »Der eine braucht mehr Optimismus und Zukunftsplanung, der andere sollte sich bald wieder aus seiner Opferrolle begeben.«
Körbächer ist davon überzeugt, dass jeder zu seiner inneren Stärke gelangen kann: Alle Faktoren lassen sich trainieren. Wer einmal das Prinzip erkannt hat, wird immer wieder darauf zurückgreifen können. Gerade Männer können hier noch viel lernen, so Körbächer. »Vielen von ihnen gelingt es nicht, auf ihre Gefühle zu hören und zu ihren Grenzen zu stehen.« Dabei können Männer ebenso wie Frauen seelische Krisen verhindern, indem sie sich Mechanismen und Muster bewusst machen, die sie schwächen – indem sie diese zukünftig steuern oder einfach nicht mehr zulassen.
Optimismus
Eine resiliente Lebenshaltung ist von Optimismus geprägt. Für Menschen, die optimistisch sind, gibt es immer eine Lösung. Frei nach dem Motto: Wie schlimm die Situation auch sein mag – sie wird vorübergehen. Um Optimismus bewusst zu leben, hilft es, hoffnungsvoll und zuversichtlich zu sein. Statt sich also nach einem Misserfolg die Schuld zu
Weitere Kostenlose Bücher