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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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Christus hat den Amazonas nie überschritten!
    Die Hitze schmolz den Morgen wie Butter. Dann wurde es Mittag, noch immer war alles geschmolzen, dann kamen Luke und Leo zurück, beide ergrimmt, nicht weil sie einen alten Kumpan – freilich nur einen Indianer – für alle Ewigkeit verloren hatten, sondern weil sie von Moskitos blind gestochen waren. Luke zerrte seinen Schaukelstuhl unters Vordach heraus und begann monoton zu wippen: Krk, krk, krk, knarrte es. Leo saß rauchend auf den Stufen. Keiner sprach. Beide blickten starr auf die Männer draußen. Keine Brise. Der Wald hielt die Hitze wie eine Pflaume den Kern. Die Sonne biß tiefer in den Schatten des überdachten Vorplatzes, und ich rückte zurück. Luke schaukelte weiter, Leo rauchte Zigarette auf Zigarette, und wir alle behielten die Männer im Auge.
    Mit einemmal war es unheimlich still. Der Plattenspieler hatte sich totgelaufen. Ach bitte, Senhor Armstrong, noch ein bißchen Trompete! wünschte ich mir. Ich hätte das Gedröhn vorgezogen. Krk, krk, krk, knarrte es.
    Charley kam gelaufen, sah gelb aus, schwitzte gelb die Angst aus, setzte sich und wartete, daß einer zu ihm spräche, aber keiner wollte. Da begann er zu sprechen. »Sie haben die Funkanlage demontiert«, verkündete er und duckte sich.
    Luke sah ihn scharf an, hielt mit dem Schaukeln kurz inne.
    »Warum?« fragte Leo.
    »Senhor Leo, Sie wissen, warum.«
    »Ich will es dich sagen hören.«
    »Sie fühlen sich isoliert. Sie wollen, daß auch wir uns isoliert fühlen.«
    »Warum?«
    »Was wollen Sie von mir hören?« kreischte Charley mit hoher Stimme.
    »Warum?« beharrte Leo.
    »Weil sie etwas Schreckliches tun werden, und sie wissen, 138 daß es schrecklich ist, und schämen sich deswegen. Aber sie können nicht anders, und darum versuchen sie, uns abzuschneiden, uns zu isolieren, ihr Verbrechen zu isolieren. Senhor Leo, Sie wissen, was sie tun werden!«
    Leo blickte auf den Balkon hinüber, wo vorher die Mädchen gestanden hatten, und sagte: »Ja.«
    »Wollen Sie bitte auf mich hören?« flehte Charley händeringend und weinerlich.
    »Warum sollte ich?«
    »Senhor Leo …«
    »Warum heulst du?«
    »Vielleicht, weil ich mich so schäme …«
    »Warum?« fragte Leo kalt und blickte wieder zum Balkon hinüber. »Wirst du dir auch deinen Beuteanteil holen?«
    »Glauben Sie, ich würde so etwas tun?«
    »Warum nicht? Wenn das allgemeine Plündern losgeht …«
    Charleys Auge, das glänzende, das seine Stimmung spiegelte, verdrehte sich nach oben. »Gott bewahre!« stöhnte er.
    »Du hast sie ja hergebracht«, sagte Luke.
    »Gott verzeih mir!«
    »Gott wohnt hier nicht. Es ist zu weit zur nächsten Kirche.«
    »Gott ist überall«, beharrte Charley, der Katholik.
    »Das ist Ansichtssache«, brummte Luke. Krk, krk, krk, knarrte der Schaukelstuhl.
    Ich sah, wie ihm der Schweiß heraussprang, Charley dem Bajazzo, Charley mit dem tragikomisch schielenden Blick. Nicht länger mehr Maus, halb Tiger war er jetzt. »Senhor Luke, Sie wollen nicht ernst sein!« schrie er.
    »Ich bin ernst«, antwortete Luke, »und wie ernst und unbeteiligt.«
    »Nein!« schrie Charley. »Sie sind ein Mensch, und Sie müssen sich erklären!« Seine Verwegenheit verblüffte mich. »Sie sind doch in die Sache hineingezogen!«
    Ich dachte: Hört ihr den Tiger brüllen?
    »Lassen wir es darauf ankommen«, sagte Luke unbewegt.
    Ich sah den Ring aus Männern, die still in der Sonne brieten, die auf das Rockefeller-Hotel starrten, geduldig, doch gespannt. Und ich wußte in diesem Augenblick, was sie tun würden. Der Priester hatte Blut an seinem Kruzifix, in ihren Augen hatte er mit Gott nichts mehr zu tun, ein Renegat: Sie würden ihn töten, weil er verwundbar war. Gott schützte ihn nicht mehr.
    Noch etwas wußte ich: auch Harry würden sie töten. Sie mochten ihn, sie respektierten ihn noch immer – aber sobald alles vorbei sein würde, könnten sie es nicht ertragen, wenn er mit dem Finger auf sie zeigte. Unsere Schuld begraben wir tief, begraben sie im Tod.
    Charley sagte: »Da draußen werden sie hysterisch.«
    »Auch ich werde es«, sagte Luke ungerührt.
    Krk, krk, krk, knarrte der Schaukelstuhl.
    »Sie stecken einander an. Es ist stärker als sie. Haben Sie, als Arzt, nicht ein Wort dafür?«
    »Du sagtest es: Hysterie, Massenhysterie.«
    »Werden Sie mir helfen, Senhor Luke?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Gehen Sie zu Senhor Harry hinüber!« bat Charley mit unnatürlich hoher Stimme. »Sagen Sie ihm, er soll sich

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