Maenner wie Tiger
leise davonmachen, ein bißchen jagen gehen, in den Wald, ein paar Tage nur. Sagen Sie …«
»Auch du bist angesteckt, Charley«, fiel ich ihm ins Wort.
»Ja, denn ich bin ängstlich.«
»Harry wird es nicht tun.«
»Sie haben recht, Senhor Juan. Er ist besser als wir alle.« Charley starrte auf Luke, der ihn ignorierte, starrte dann auf Leo, lang und eindringlich, und Leo begann zu schwitzen, ebenso merkwürdig gelblich. »Senhor Harry glaubt an menschliche Werte, an Menschenwürde.«
»Kannst du da drüben noch etwas von Menschenwürde entdecken?«
Es war Luke, der dies sagte.
Charley blinzelte. »Die Mädchen …«
»… sind zu Huren bestimmt«, ergänzte Luke kurz und bündig wie ein Arzt, der ein inoperables Krebsgeschwür feststellt. »Das kommt, muß kommen, im nächsten Monat, im nächsten Jahr. Es ist nur eine Frage des Hungers und der Zeit. Auf ihrem Kalender ist der Termin schon vermerkt.« Es schien das einzige Argument, das Luke vorzubringen wußte. »Sie sind es nicht wert.«
»Müssen denn ausgerechnet wir sie in die Gosse stoßen?«
»Ich stoße nicht, ich schaue nur zu.«
Krk, krk, krk.
Da wandte sich Charley an mich – als letzte Stütze. »Wollen nicht Sie zu Senhor Harry hinübergehen?«
»Nein.«
»Noch hat er Zeit. In einer Stunde könnte es zu spät sein.«
»Ich gehe nicht.«
»Ich verstehe: Sie sind ängstlich wie ich.«
»Und älter.«
»Schämen wir uns doch wenigstens!«
»Schweig, Charley!«
Ich fühlte mich elend, so weit hatte er es gebracht.
»Schau, daß du fortkommst!« befahl Luke. »Pack dich, samt deinen verfluchten Orakelsprüchen!«
»Nein«, antwortete Charley verstockt und blickte zu den Männern hinaus. »Ich möchte lieber hier sitzen bleiben. Ich fürchte mich vor ihnen.«
Der Nachmittag brannte, ein Entkommen gab es nicht. Die Vögel wurden schläfrig, und der Wald begann seine Siesta. Rührig blieben nur die siebenundfünfzig Arten der Mato-Grosso-Insekten, die alle Fleischfresser sind. Die Thermometersäule stieg und stieg, und mit ihr – man konnte es spüren – stieg die Spannung dort draußen. Ich blickte auf die Männer und dachte: Sie sind doch auch nur Fleisch. Wie können sie es ertragen? Nun, das Katz-und-Maus-Spiel ist fast zu Ende. Paß auf, wenn sie zu kochen beginnen!
Aber die Zeit zog sich hin, die Uhr drinnen im Krankenzimmer tickte, Lukes Schaukelstuhl knarrte – ich glaubte, verrückt zu werden. Ein Hoffnungsschimmer stahl sich in mein Herz: vielleicht hat ihnen die Sonne die Galle ausgedörrt? Vielleicht … Aber da bemerkte ich, daß etwas los war, drüben beim Flugzeug, wo Miguel arbeitete. Ich konnte ihn gestikulieren sehen. Neben ihm auf dem Plateau des Lastwagens standen andere. Er stieg herunter, protestierte noch immer. Da hörte ich den Lastwagen anfahren.
Miguel kam zu uns herüber, so blaß wie Charley vordem gelb, und sagte: »Sie zwangen mich aufzuhören.«
»Ruh dich aus, Miguel!« sagte Luke.
»Ich muß den Motor reparieren.«
Krk, krk, krk.
»Warum?«
»Warum?« wiederholte Miguel bestürzt. »Es ist doch unser Flugzeug!« Er war wirklich ein redlicher Junge.
»In der nächsten Zeit wird es niemand brauchen.«
»Wirst du jetzt endlich aufhören, dich in diesem verdammten Stuhl zu schaukeln?« sagte Leo bissig zu Luke.
»Es beruhigt mich.«
»Mich regt es auf.«
Der Lastwagen rollte jetzt langsam die Piste entlang. Er fuhr krampfartig: hielt an, fuhr weiter, hielt wieder an und hinterließ bei jedemmal ein Blechfaß mit Dieselöl. Männer stellten die Fässer in einer langen Zickzacklinie auf und blockierten damit die Piste. Dann fuhr der Lastwagen zurück und parkte neben dem Flugzeug. Ich glaube, Jan war es, der aus dem Fahrerhaus stieg.
Ich sagte zu Leo: »Du hast deinen Chefmonteur nicht gut erzogen.«
»Ich kannte in unserm Dorf schon seinen Vater. Der war genauso beharrlich. Wie der Vater, so der Sohn.«
»Könntest du nicht ebenfalls beharrlich sein? Geh hinüber und sprich mit ihm!«
»Er wird sich wahrscheinlich nichts sagen lassen.«
»So?«
»Ich werde wahrscheinlich zornig werden.«
»So?«
»Aber ich möchte nicht zornig werden.«
Ich sagte mir: Die Sonne soll nicht auf ihren Zorn brennen! Besser noch: Laßt keinen Zorn aufflammen! Leo darf nicht zornig werden!
Jetzt erst fühlte ich mich richtig einsam. Der Anblick der Piste, gespickt wie eine Panzersperre, stieß mich ab. Und es sollte noch schlimmer kommen.
Ich sah den Bulldozer daherrattern, mit hocherhobener Ramme,
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