Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
gewusst, klar. Mit ihm hab ich kurz danach das Interview gemacht. Ich hab wohl auch mit einigen anderen darüber geredet. Aber mit wem? War ja doch nicht so wichtig. Pauer kann es seiner Frau gesagt haben. – Ach ja. Jetzt erinnere ich mich: Sie hat mir sogar erzählt, dass es so war. Wahrscheinlich hat er es auch der Verlagschefin gesagt. Andererseits: Ich hatte den Eindruck, dass sie von dem Interview mit mir gar nichts weiß. Alle, die mitbekommen haben, dass er in der Früh joggt, brauchen die Strecke bloß abzugehen und den gefährlichsten Punkt zu suchen. Da war zum Beispiel ein Kamerateam, und Journalisten, und …“
„Natürlich, da ist schon was dran.“
„Solltet ihr mein Blut vor Ort brauchen: Ich kann mich hinliefern. Quasi als lebenden Beweis. Bloß gegen Erstattung der Spesen.“
Karl lacht. „Wäre schön. Elisabetta will mir heute Abend übrigens eine großartige Osteria zeigen. Ich trinke ein Glas Vermentino auf dich!“
„Genieß es, lass Elisabetta schön grüßen, und: danke!“
Ich sehe mich in der Küche um. Wie bin ich nur auf die blödsinnige Idee gekommen, die Vorratskästen auszuräumen? Gismo stelzt auf dem Boden herum, weiß nicht, ob sie das alles einer näheren Inspektion unterziehen soll. Sie hat auf der Arbeitsfläche nichts verloren. Ich sage ihr das. Sie schaut mich an, also wollte sie erwidern: So ein Durcheinander hätte ich jedenfalls nie zustande gebracht.
Ich gehe zum Laptop, schreibe auf, was mir Karl erzählt hat. Keine Ahnung, wie viel morgen davon veröffentlicht wird. Ich habe etwas vergessen. Er ist zwar Rechtsmediziner, aber offenbar auch die zweisprachige Kontaktperson zwischen den Ermittlern.
Ich rufe die Nummer noch einmal an, warte einige Zeit.
„Elisabetta Santori, pronto! Oh, Mira.“ Es folgt ein italienischer Redeschwall, dann habe ich Karl in der Leitung.
„Ich hab was vergessen: Ist Farah Seifried eigentlich noch in Gavoi?“
Stille. „Na gut. Das kannst du auch von woanders haben. Sie hat durchgesetzt, dass sie ausreisen kann. War meinen Kollegen da gar nicht recht. Aber offenbar hat sie ziemlich gute Beziehungen.“
„Und wisst ihr, wo sie jetzt ist?“
„Ja. In Berlin. Sie muss sich regelmäßig melden.“
„Sie gilt als Verdächtige.“
Karl schnauft. „Mira! Mehr kann ich nicht sagen. Sie gehört zum großen Kreis der Personen, die überprüft und die als Zeugen einvernommen werden.“
„Sie hatten am Vorabend einen heftigen Streit.“
„Weiß ich. Die Info hab ich aus Wien. Eine ziemlich umtriebige Journalistin des ‚Magazin‘ hat ihn offenbar gehört. – Das hättest du mir übrigens sagen können.“
„Du bist Rechtsmediziner. Und dein Untersuchungsobjekt streitet sicher mit niemandem mehr.“
„Das ist einer der ganz großen Vorteile an meinem Job. – Für den Fall, dass du noch so etwas wissen solltest: Ich höre gerne zu. Momentan bin ich nicht bloß einer, der sich den Tod quasi von innen ansieht, scheint es.“
„Wer etwas weiß, meldet sich, abgemacht?“, sage ich und komme mir mies vor.
„Abgemacht und ciao, bis bald, Bella.“
Weiß ich wirklich etwas Relevantes, das ich ihm hätte erzählen können? Nicole: Kann es sein, dass ich mich in Gavoi geirrt habe? Ich starre auf mein Chaos. Mittendrin sitzt Gismo und versucht gerade eine Packung mit getrockneten Steinpilzen aufzureißen.
Am nächsten Morgen tappe ich zu meinem Laptop. Ich habe zehn Stunden geschlafen, nicht gemerkt, dass Oskar aufgestanden ist und mir einen Zettel mit
„Schön, dass du da bist!“
hingelegt hat. Jetzt ist er längst in der Kanzlei. Gismo streift herum. Oskar hat sie sicher gefüttert. So ein wundervoller Zettel.
Nachricht von Daniela. Mit einem großen Dateianhang. Gesendet um drei Uhr einundzwanzig. – Was habe ich verschlafen? Ich reibe mir die Augen, setze mich.
Noch bevor ich die Nachricht lese, öffne ich die jpg-Datei. Man sieht eine der steilen Gassen von Gavoi. Das Licht ist flach, das Foto muss entweder zeitig in der Früh oder am späten Nachmittag aufgenommen worden sein. Der kleine Platz mit der Bar, aus der meistens Jazzmusik gedrungen ist. Von den Tischen im Freien ist bloß einer besetzt. Lässt darauf schließen, dass es Morgen war. Ein Mann und eine Frau. Keiner der beiden kommt mir bekannt vor. – Was soll das? Erst dann bemerke ich die zierliche Gestalt an der Hausecke, fast verdeckt vom Schatten. Ich brauche nicht einmal zu zoomen. Ich weiß, wer das ist. Nicole.
Ich drucke das Bild aus, will
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