Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
Fernsehen?“
„Kein Fernsehen. Warum sind Sie nicht geblieben?“
„Können Sie sich das nicht vorstellen? Wenn ich dort auftauche und sage, was ich mir denke, dann wird das sofort wieder eine Sache Emanze gegen Pauer-Mann. Und das kann ich nicht brauchen. Darum geht es jetzt nicht. Es geht darum, dass das nicht vertuscht werden darf. Da muss ich nicht meinen Senf dazugeben. Vergewaltigung ist etwas, da gibt es zum Glück inzwischen einen breiten Grundkonsens in der Gesellschaft. Der übrigens mit unserer Hilfe errungen wurde. – Aber bitte: Aus dieser Geschichte lassen Sie mich raus. Es ist besser so.“
Hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Und: Sie hat recht.
Regina parkt in der Garage unter unserem Redaktionsgebäude und greift nach meinem Mobiltelefon. „Viel Zeit haben wir nicht mehr. Gerade noch eine Stunde.“
„Ich geh mit in die Fotoredaktion. Ich muss noch einmal telefonieren.“
Diesmal dauert es länger, bis jemand drangeht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jana schon schläft. Vielleicht hat Vesna sie für eine ihrer Nachforschungen eingeteilt. Da ist natürlich nichts mit Telefonieren.
„Mira? Was ist los?“ Laute Musik im Hintergrund.
„Bist du bei ‚frauen.com‘?“
„Immer häng ich dort auch nicht rum. Ich bin in einem Jazzclub. Und frag jetzt bitte nicht, ob er feministisch ist.“
„Ist er?“
„Nein!“, schreit sie und es klingt ausgesprochen gut aufgelegt.
„Ich hab da vor kurzem jemand kennengelernt. Er spielt Saxofon. Und wie …“
Es tut mir richtig leid, sie aus ihrer guten Stimmung zu holen. „Thomas Pauer hat offenbar versucht, im Nouvel Grand Hotel eine Studentin zu vergewaltigen.“
„Sag das noch einmal!“
„Maggy Körmer hat mich angerufen. Das ‚Nouvel Grand‘ ist doch das Hotel, in dem der Mann von Sandra Alman kocht, oder?“
„Warte, ich renn schnell vor die Tür, da ist es zu laut. – Was soll das miteinander zu tun haben? Sandra ist sicher privat keine Freundin von Maggy. Unwahrscheinlich, dass ihr Mann sie kennt. – Wer war die Studentin?“
„Ich weiß nicht viel. Sie heißt Nicole Moser. Studiert Publizistik und Politikwissenschaft. Eine kleine Zarte mit dunklen Locken. Anfang zwanzig. Ist sie dir auf der Uni begegnet?“
„Mira, weißt du, wie groß die Wiener Uni ist?“
„Sie wollte eine Hausarbeit über Rollenbilder in den Medien schreiben.“
„Es könnte sein, dass ich sie schon gesehen habe.“ Das kommt jetzt ganz klar, ohne Musik im Hintergrund.
„Und? Wo? Wer ist das?“
„Sie war vor ein paar Tagen im ‚frauen.com‘. Damals, als du eine Stunde zu spät gekommen bist.“
„An dem Tag war doch auch Maggy Körmer da. Haben die beiden einander gekannt?“
„Keine Ahnung. Bei uns ist immer ein Kommen und Gehen … Dass sie zu diesem Pauer aufs Hotelzimmer …“
„Er hat an der Uni einen Vortrag gehalten.“
„Ja, hab ich gesehen. Auf der Publizistik. Sie haben die Ankündigung auch bei uns ausgehängt. Aber ich bin natürlich nicht hin. – Der hat sie vergewaltigt?“
„Er hat es versucht. Sie konnte fliehen.“
„Arg.“
„Gibt’s sonst noch etwas, das du mir sagen kannst? Irgendwelche Verbindungen, Zusammenhänge? War Nicole in eurer Szene aktiv?“
„In unserer Szene, wie das klingt … nein, nicht dass ich wüsste. Ich hab sie, glaube ich, an diesem Tag zum ersten Mal gesehen.“
„Ist sie durch irgendetwas aufgefallen?“
„Nein, sie hat bloß zugehört und wenig gesagt. Ich glaube, sie hat für ihre Hausarbeit recherchiert. Wir sind ein offenes Haus.“
„Hast du sie gemeinsam mit Maggy Körmer gesehen?“
„Habe ich nicht. Aber ich häng der nicht immer an den Lippen, wie du vielleicht schon gemerkt hast. – Warum fragst du das alles? Glaubst du dieser Nicole nicht?“
„Natürlich glaube ich ihr. Aber jetzt ist unsere ganze Journalistenmeute hinter ihr her. Und der ‚Alpha‘-Verlag auch. Die Verlagschefin hat schon klargemacht, dass sie alle klagen wird, die das mit der versuchten Vergewaltigung in Umlauf bringen.“
„Spinnt die? Glaubt die, man kann das vertuschen?“
Regina deutet auf mein Telefon, dann auf die Uhr. Höchste Zeit. „Danke, wir reden morgen weiter, wir müssen das alles noch in die neue Ausgabe bringen“, sage ich zu Jana, unterbreche die Verbindung und drücke unserer Fotografin das Gerät in die Hand.
Soll ich schreiben, dass Nicole vielleicht auch bei „frauen.com“ über Rollenbilder in den Medien recherchiert hat? Ist eigentlich nicht wichtig.
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