Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
versuche, ihre etwas abgehobene Sprache ohne Bedeutungsänderung dem Sprachgebrauch unserer Leserinnen anzupassen.
Am Nachmittag habe ich Zeit, mir über das Menü für morgen Gedanken zu machen. Zugesagt haben: Oskar und Vesna und Jana und Carmen und Sandra Alman und ihr Mann Hannes Brunner. Droch hat leider Konzertkarten. Karl Simatschek habe ich auch eingeladen. Per SMS. Vor zwei Jahren war er noch im steirischen Vulkanland. Jetzt gehört er zu den vielen Wochenend-Pendlern. Seit einiger Zeit arbeitet er als Rechtsmediziner in Wien. Offenbar wird auch in der Justiz immer mehr gespart, er hat gemeint, wenn er in der schönen Steiermark bliebe, würde er bald verhungern. – Oder wird dort so wenig gemordet? Ich weiß, dass sich Rechtsmediziner lange nicht nur mit Toten beschäftigen. Aber es ist doch ein Kern ihrer Arbeit. Und, was Karl angeht, ist die klassische Forensik sein Spezialgebiet. Er hat noch nicht geantwortet.
Für das Menü habe ich schon eine Idee: Es wird aus vielen Gängen bestehen, dafür werde ich sie auf zwei, maximal drei Komponenten beschränken. Dazu gibt’s einfach viel gutes Bio-Brot.
Morgen werde ich mir freinehmen, sonst schaffe ich das nicht. Endlich wieder einmal ein Tag, an dem es ums Kochen und Essen geht. Besonders tröstlich nach Zeiten wie diesen. Und seit ich weiß, dass Nicole nichts passiert ist, habe ich auch die Ruhe dafür. Hm. Ich sollte nicht vergessen, dass Nicole eine Menge geschehen ist. Und dass es ihr wohl gar nicht gut geht. Aber ich habe daran keine Schuld. Im Gegenteil. Morgen können die Menschen zumindest lesen, was Nicole selbst sagt. Mehr kann ich nicht tun.
Ich tippe in den Laptop:
Paradeiser + Melone + Balsamico, kalter Schweinsschopf + Kräuter, Zucchiniblüte + Sardelle, Hühnerherzen + Thymian. – Da kann ich gleich einen Teil der viel zu vielen Hühnerherzen verwenden, die Oskar gebracht hat. Für Gismo bleiben immer noch genug. Fisch + Pfeffersalz, Erdäpfel + Steinpilze, Lamm + Olive, Ingwerschaum + Knusperschokolade, Ziegencamembert + Schwarzbrot.
Das Dessert muss ich erst ausprobieren. Wäre nicht die erste Nachspeise, die bei mir schiefgeht. Aber ich habe vor einiger Zeit einen wirklich guten Ingwerlikör gemacht. Viel geschnittenen Ingwer mit einem Stück Zitrone samt Schale, braunem Zucker und Wasser eine Viertelstunde kochen lassen, dann überkühlen und mit der gleichen Menge an karibischem Rum ansetzen. Vier Wochen ziehen lassen, abseihen. Schmeckt wunderbar würzig nach Ingwer. Und ist gar nicht besonders süß. Und ich habe ein total einfaches Rezept für ein Schäumchen entdeckt: Drei Eiklar mit halb Likör und halb Prosecco mischen, in eine ISI-Schlagobersflasche füllen, gut schütteln, und raus kommt ein feiner Schaum. Sollte ich heute testen.
Ich werde eine Einkaufsliste schreiben. Ich rufe mich zur Ordnung und schaue pflichtschuldigst in meine Mails. – Was, wenn Nicole wieder einen Rückzieher macht? Jetzt ist es zu spät. Aber sie hat ohnehin nichts geschickt. Dafür Jana. Oh! Auf die habe ich total vergessen! Ich bin unmöglich. Jana fragt mich, ob die Mail angekommen und alles okay sei. Ich atme durch. Ich verstehe die Botschaft. Nicole hat also auch mit ihr Kontakt aufgenommen.
„Und wie“
, schreibe ich zurück und prüfe, wer sich sonst gemeldet hat. Nichts Wichtiges dabei. Und noch keine Mail aus der Chefredaktion mit der fertigen Seite eins. Aber das wäre wohl auch zu viel verlangt.
Irgendwie muss sich da etwas verheddert haben. Mein Menü ist verschwunden. Ich habe es in eine E-Mail gestellt und wollte es an meine eigene Adresse schicken. Damit ich es auch daheim habe. Ich gehe auf „Gesendete Elemente“.
Und bekomme gleichzeitig eine neue Nachricht vom Chefredakteur herein.
„Danke, liebe Mira, für das ausgezeichnete Menü. Ich weiß nicht, wie ich mir das auch nur virtuell verdient habe, aber wenn du es kochst, ist es sicher großartig! Ich hoffe, du bist heute bis Redaktionsschluss trotzdem da bzw. erreichbar! Kulinarische Grüße von ein paar Zimmern weiter, Klaus“
O du liebe Güte, da habe ich ihm versehentlich meinen Menüentwurf geschickt! – Ich könnte ihn auch zum Essen einladen. Nein. Für dieses Mal sind es genug Gäste.
Die Demonstration hat laut Polizei fünftausend Teilnehmer, laut Veranstalterinnen zehntausend. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Ist schön, wenn die Wahrheit dazwischen liegt und nicht ganz woanders. Ich sehe erste Bilder davon in den Fernsehnachrichten. Zen
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