Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
über den Abend gibt, an dem Pauer versucht hat, Nicole zu vergewaltigen. Vielleicht frage ich ihn aber auch nicht.
„Gibt’s eigentlich einen besonderen Anlass für dieses wunderbare Essen?“, will Sandra Alman wissen.
„Mira wird fünfzig“, sagt Vesna mit einem breiten Lächeln. „Das ist aber nur Vorfeier. Sie muss üben, wie es ist.“
Ich seufze theatralisch. „Es ist mir völlig egal. Nur glaubt mir das keiner. Und für ein gemeinsames Abendessen ist mir jeder Anlass oder auch keiner recht. Noch dazu, wo ich nach den letzten Tagen wirklich eine angenehme Abwechslung brauchen kann.“
Sandra Alman sieht mich an. „Ich hab nachgelesen, Sie haben ein spannendes Interview und eine gute Reportage gemacht. Wirkt, als würde Ihnen das Spaß machen.“
Womit wir doch beim Thema wären. „Es macht mir auch Spaß, aber es gibt so viele Fragen … was muss man, was darf man, was soll man … wen nützt du aus, wem hilfst du, was ist fair, durchschaust du, was gespielt wird …“
Jana lacht. „Und wie ist das überhaupt mit den Männern und den Frauen? Und dann hat sie auch noch diese Tochter ihrer Freundin, die ihr dauernd sagt, was geht und was echt nicht geht.“
Ich lache auch. „Dich pack ich schon!“
„Ist ja auch höchste Zeit, dass du dich mit so etwas beschäftigst“, ergänzt Jana.
Ich stehe auf. „Und schuld daran ist das Buch von Thomas Pauer.“
„Einfach toll, was der Typ so alles draufhat“, spottet Jana.
„Ich finde, er wirkt wie gecastet. Irgendwie nicht echt. Aber soll er doch schreiben, was er will. Wir leben in einer Demokratie, da kann es keine Denkverbote geben“, merkt Carmen an.
Jetzt richtet sich Janas Spott gegen Carmen. „Ach“, sagt sie süffisant. „Also reden wir darüber, dass Männer endlich voll die Sau rauslassen sollen. Weil sie eben Männer sind. Und dass es nicht beim Reden bleibt, haben wir ja schon gesehen.“
„So hab ich das nicht gemeint. Und wenn mir einer so kommt, dann werde ich ihm das auch ganz klar sagen.“
„Vorausgesetzt, du hast die Chance dazu und er will dir nicht gleich beweisen, was er für ein toller Hecht ist, und wenn es sein muss, mit Gewalt!“
„Du hältst also alle Männer für potenzielle Gewalttäter?“, kontert Carmen.
Oskar bemüht sich um Deeskalation. „Das hat sie nicht gesagt, und man muss schon feststellen …“
Carmen lächelt ihren Vater an. „Du bist einfach zu nett. Aber ich mach mir das schon mit ihr aus.“
„Vielleicht mit einem Ringkampf vor dem Haus“, wirft Sandra Alman trocken ein.
Die beiden schauen sie an.
„Na ja, weil so, wie ihr jetzt diskutiert, wird nicht viel herauskommen.“
„Mir hat eine Frau geschrieben, dass sie mit fünfzehn vergewaltigt worden ist. Das war vor Jahrzehnten, aber sie leidet jetzt noch darunter. Keiner scheint ihr zugehört zu haben. Jetzt will sie ein Buch schreiben und ich soll ihr helfen.“ Ich schaue in die Runde.
„Glaubst du ihr?“, fragt Carmen.
„Was für eine Frage“, antwortet Jana.
Ich sehe Sandra Alman an. Sie seufzt. „Aus so einer E-Mail kann man nicht viel ableiten. Auch wenn Jana das nicht gern hört: Natürlich gibt es Fälle, wo Menschen sich einbilden, missbraucht worden zu sein. Aber auch das hat einen Grund, das passiert nicht einfach so. Es kann Missbrauch auf einer anderen Ebene gewesen sein … Bitten Sie die Frau, sich bei uns zu melden. Es gibt Stellen, wo ihr natürlich zugehört wird. Inwieweit man helfen kann, ist eine andere Sache.“
„Man muss Frauen also nicht unter allen Umständen glauben, wenn sie sagen, sie seien vergewaltigt worden“, setzt Carmen nach.
Die Leiterin von „frauen.com“ sieht sie an: „Was ich gemeint habe: Es steckt immer was dahinter, auch in so einem Fall.“
„Wer Frauen nicht glaubt, schützt Gewalttäter“, stellt Jana fest.
„Wie wär’s mit Zucchiniblüten und Sardellen?“, frage ich, und darauf können sich alle einigen.
Ich habe die Zucchiniblüten mit den winzig kleinen Zucchini dran schon gewaschen. Jetzt schiebe ich in jede Blüte drei Sardellenfilets, dazu ein dünne Scheibe jungen weißen Schafkäse, und heize zwei große Pfannen auf Höchststufe. Prosecco mit einem Eiklar und Mehl zu einem dünnen Teig rühren, die Zucchiniblüten durch den Teig ziehen und in etwas Olivenöl auf beiden Seiten goldbraun braten.
Es scheint so, als hätte sich die Auseinandersetzung am Tisch beruhigt. Die Leiterin von „frauen.com“ kann mit so etwas offenbar ziemlich gut umgehen.
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