Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
ausrichten lassen, dass er der wohl beste Ermittler in der Gruppe „Sitte“ sei, den es in Wien gäbe. Vergewaltigung gehört zur „Sitte“. Kommt mir irgendwie eigenartig vor. So, als gäbe es da auch bei den misshandelten Frauen sittliches Fehlverhalten. Wir haben uns nicht in der Polizeidirektion, sondern in einem kleinen Café in der Nähe verabredet.
„Herzlichen Dank, dass Sie mich in der Redaktion gesucht haben“, sage ich nach den Begrüßungsformalitäten.
„Ich dachte, Ihr Ruf ist so tadellos, dass das sicher kein Problem ist.“
„Ich bin tadellos. Mit meinem Ruf ist es etwas anderes“, grinse ich.
„Ich bin einfach zu nachsichtig mit Nicole Moser umgegangen. Wir brauchen sie. Es gibt neue Ermittlungsergebnisse. Fragen Sie mich nicht, welche, ich kann Ihnen im Moment nichts dazu sagen. Ich muss mit ihr reden“, erklärt Salcher.
„Was für Ermittlungsergebisse?“
Salcher seufzt. Ich weiß, wann ich keine Chance habe.
„Ich hab keine Ahnung, wo sie steckt. Ich schwöre es.“
„Wir haben gehört, sie soll bei einer Verwandten auf dem Land sein.“
„Dann waren Sie doch sicher schon dort.“
„Wenn Sie das Nest an der tschechischen Grenze meinen, ja.“ Der Chefermittler der Gruppe „Sitte“ seufzt.
„Warum gehören Vergewaltigungen eigentlich nicht zur Abteilung ‚Leib und Leben‘?“, frage ich.
Er sieht mich aufmerksam an. „Wir arbeiten zusammen. Es hat nichts damit zu tun, dass wir Vergewaltigungen nicht sehr ernst nehmen. Es hat viel mehr damit zu tun, dass wir für das höchstpersönliche Milieu, um das so zu nennen, besser ausgebildet sind. Und mehr Beamtinnen haben. Und mehr Erfahrung haben, wenn es um seelische Wunden geht. – Wo haben Sie Nicole getroffen?“
Er lässt sich nicht ablenken. Wenn sie das Versteck im Dorf ohnehin schon kennen … „Es war dort, in der Nähe der tschechischen Grenze.“
„Oh, dann brauchen wir Ihre Fingerabdrücke. Wir haben das Haus erkennungstechnisch behandelt.“
„Nicht nötig. Wir haben uns bei Nacht, wenn auch ohne Nebel, im Haus am Fußballplatz getroffen. Sie wollte am nächsten Tag weiter, hat sie gesagt. Aber nicht, wohin.“
„Warum hat sie ausgerechnet Ihnen ein Interview gegeben?“
Jetzt muss ich vorsichtig sein. Es könnte sein, dass sie von Jana und dem Laptop nichts wissen. „Wahrscheinlich, weil ich eine der Ersten war, die sie nach der versuchten Vergewaltigung gesehen hat. Und weil ich ihr schon damals hoffentlich nicht allzu schlimme Fragen gestellt habe.“
„Wir prüfen, ob sie, wie behauptet wurde, tatsächlich Kontakt zu radikalfeministischen Kreisen hat und ob sie von irgendjemandem in diesem Umfeld versteckt wird“, murmelt Chefinspektor Salcher.
„Wenn Sie mir erklären könnten, was das sein soll …“ Ich sehe ihn mit einer Mischung aus Strenge und Amüsement an, so wie Jana es tun würde.
„Kann ich nicht, gebe ich zu. Aber es gibt einige Frauen, die bezeichnen sich selbst so. Maggy Körmer, zum Beispiel. Könnten Sie sich vorstellen, dass sie unsere Zeugin versteckt?“
„Nicole ist Opfer.“
„Sie ist Zeugin in einem laufenden Verfahren. Sie haben doch Jus studiert, Sie sollten das wissen.“
„Strafrecht war nicht unbedingt mein Lieblingsfach. Nur der Professor war nett.“ Was die Wahrheit und nichts als die reine Wahrheit ist. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Nicole besonderen Kontakt zu Maggy Körmer hat. Maggy … sie mag junge Frauen offenbar nicht besonders. Sie sind ihr zu wenig ernsthaft, wenn es um die Frauensache geht.“
„Nicole hat an einer feministischen Arbeit geschrieben: Rollenbilder in den Medien.“
„Ist es feministisch, wenn man sich fragt, wie Frauen und wie Männer in den Medien rüberkommen? Ich hab sie bloß zwei Mal getroffen. Einmal, gleich nachdem Pauer versucht hat, sie zu vergewaltigen. Und einmal, als sie mir in dieser Fußballer-Garderobe ihre Geschichte erzählt hat. – Warum darf Pauer eigentlich ins Ausland?“
Der Ermittler sieht mich neugierig an. – Kann es sein, dass er gar nichts von dem Literaturfestival weiß? Ich will ein Interview mit Pauer, ich hätte besser nicht davon anfangen sollen. Aber jetzt ist es wohl zu spät. „Er ist ab morgen bei einem Festival auf Sardinien. Kann man übrigens im Internet nachlesen.“
„Sie werden auch hinfahren?“
„Erraten. Ich liebe Literatur. Und italienische im Besonderen. Haben Sie Giancarlo De Cataldo gelesen? Ein großartiger Autor. Schreibt über die Verstrickungen des
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