Männerfrei: Roman (German Edition)
nicht nur meine Dankbarkeit ausdrücken will, sondern zudem Andy wissen lassen möchte, dass er mich nicht besiegt hat. Er ignoriert mich. Ich grinse Cooper auf dem Weg nach draußen an, und er reckt beide Daumen hoch. Ich beschließe, das als solidarisches Zeichen zu werten. Gott sei Dank ist er endlich zurück aus Deutschland. Es ist viel schöner im Büro, wenn der fiese blöde Andy sich nicht ständig aufspielt.
In den letzten Stunden vor dem Wochenende kümmere ich mich um eine meiner liebsten Routineaufgaben: ein wöchentlicher Newsletter für junge Mädchen mit Akneproblemen, im Auftrag einer Firma, die Pflegeprodukte herstellt. (Wer den Newsletter auf der Homepage des Herstellers anfordert, erhält jede Woche Hautpflegetipps und Infos über Menstruation/Hormone/Hygiene/Jungs. Und die üblichen Angebote, Wettbewerbe und Preisausschreiben.)
Mal sehen… Entdecke die Macht von makelloser Haut. Entdecke die Freude an makelloser Haut. Stell dir vor: samtweiche, porenreine Haut. Auch du kannst makellose Haut haben. Makellose Haut, jeden Tag. Verschönere deine Haut und dein Leben. Autsch, das ist ein bisschen übertrieben. Fangen wir mit dem ersten Satz an. » Entdecke« ist ein hübsches, starkes, aktives Wort, und Alliterationen machen sich sowieso immer gut. Außerdem verspricht der Text keine makellose Haut. Man kann nämlich nicht etwas wie » garantiert makellose Haut« versprechen. Vielmehr muss man schreiben, wie schön es sein könnte, makellose Haut zu haben. Anderenfalls– behauptet zumindest die neurotische Marketingchefin des Kosmetikherstellers– könnte ein Teenager, der die Produkte verwendet und trotzdem einen Pickel bekommt, Schadenersatz einklagen. (Wer würde so etwas schon tun?)
Die Macht der positiven Überzeugung. So würde ich den heutigen Tag betiteln. Coop hat mich positiv davon überzeugt, dass ich eine Führungsrolle übernehme und die anderen informiere, und ich habe alle von dem Projekt überzeugt.
Während ich meinen peppigen Newsletter zu Ende bringe, überkommt mich eine seltsame, nachdenkliche Stimmung. Die armen Teenies, denke ich. Ich fand es ziemlich schwer als Teenager. In der Pubertät litt ich unter einem Schüchternheitskomplex, der sich durch leichtes Stammeln/Haspeln bemerkbar machte, wenn ich den Mund aufmachte. Das ist nicht ungewöhnlich; Kate hatte scheinbar dasselbe Problem. (Bloomie natürlich nicht.)
Manche Mädchen haben das angeborene Talent, ihr Leben nach ihren Vorstellungen zu leben. Ich vermute, diese Mädchen lesen nicht meinen Newsletter, denn ich kenne sie von der King’s Road in Chelsea: sechzehnjährige schmollmundige Grazien mit taufrischem Teint und der Ausstrahlung von mit Sahne verwöhnten, verhätschelten Perserkatzen. Ich war nie eins von diesen Mädchen. Als ich dreizehn war, zogen meine Eltern von London nach Berkshire, und ich wechselte von einer modernen, liberalen kleinen Schule in Notting Hill, wo es ziemlich lustig und albern und laut zuging, auf eine ziemlich noble, strenge, sportorientierte Schule auf dem Land, wo die schmollmundigen Schönheiten mit ihren glänzenden Haaren den Ton angaben. Sie checkten mich ab, hörten sofort meine kleine Sprachstörung, und schon war ich untendurch. Und wenn man bei den anderen nicht ankommt, zweifelt man automatisch an sich selbst, bis man schließlich kein Wort mehr herausbringt, jedenfalls gilt das für mich.
Damals habe ich mit meinem Mantra » Haltung ist Stärke, Schweigen ist Gelassenheit« begonnen. Die Idee war, wenn ich einen starken und gelassenen Eindruck machte, würde ich mich auch stark und gelassen fühlen. Und die Leute könnten denken, dass ich gleich etwas Geniales sage. Und wenn ich dann tatsächlich etwas sagte, würden sie vielleicht zuhören, was meinem Stottern Abhilfe schaffen könnte.
Mit anderen Worten: Immer schön lächeln, bis man am Ziel ist.
Dank meines Mantras habe ich die Schulzeit überlebt. Danach war ich auf der Universität, wo ich viele Gleichgesinnte traf, vor allem in Gestalt von Bloomie und Kate, und feststellte, dass ich mein Mantra nicht mehr brauchte. Es ist alles viel einfacher, wenn man Freundinnen hat, die dich witzig finden. In jedem schüchternen Mädchen steckt ein Geltungsdrang, der sehnsüchtig darauf wartet herauszukommen.
Ich greife heute noch auf mein Mantra als eine Art Sicherheitsnetz zurück, wenn ich es brauche. Also im Prinzip dann, wenn mich etwas verunsichert. Zum Beispiel ein Kollege. Oder ein schlimmes Date. Oder, wenn ich
Weitere Kostenlose Bücher