Männerküsse: homoerotische Geschichten (German Edition)
Mal wieder manifestieren können, so sehr er es auch versuchte. Seine Kraft war verbraucht. Geblieben ist dieser ätherische Schleier. Ich vermisse es manchmal, ihn nicht in den Arm nehmen oder ihm beim Zähneputzen nicht in den Nacken küssen zu können. Doch es ist entbehrlich. Ich habe mich an den kribbelnden Schauer gewöhnt, den ich bekomme, wenn er mich auf seine Weise berührt. Auch wenn unser Sexleben nicht in geregelten Bahnen verläuft, so habe ich doch nie das Gefühl, es wäre weniger wert. Wir sind mit dem Herzen und dem Verstand bei der Sache – und das ist das Wichtigste. Er ist bei mir und wird es immer bleiben. Ich glaube nicht an Geister. Ich liebe einen.
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Vollbremsung
von Juna Brock und Stefanie Herbst
MATT
09:33 Uhr. Fahrt von London nach Wien.
Den Zug habe ich pünktlich erwischt. Ich liebe es, wenn alles nach Plan läuft. Morgen Abend habe ich ein Meeting mit einem Kunden, und an den Tagen darauf wichtige Geschäftsverhandlungen. Mit der Bahn zu fahren ist wesentlich angenehmer als zu fliegen. Viel sicherer und nicht so beengt, als säße man in einer Sardinenbüchse.
Ich betrete mein Abteil und lasse die Augen sofort über den heißen Kerl wandern, der mich dort erwartet. Was für ein hübscher Bursche, den muss ich gleich mal abchecken. Blonde, kurze Haare und ein gut gebauter Körper, der in einem edlen Anzug steckt. Da bekomme ich Appetit.
Er sieht zu mir auf, nickt freundlich und senkt dann den Blick wieder in die Zeitung auf seinem Schoß. Ich nehme ihm gegenüber Platz und genieße die Aussicht. Anscheinend benutzt er Hugo Boss Parfüm. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig – gerade so, dass mir das Wasser im Mund zusammenläuft. Seine schlanken Finger blättern die Zeitungsseite um, und ich recke den Hals, um zu sehen, wofür er sich interessiert: Der Anzeigenteil für Kino und Theater – soso. Gerne würde ich einen Film oder ein Bühnenstück mit ihm gemeinsam sehen, neben ihm sitzen und meine Hand dabei auf seinen Oberschenkel legen. Ich bin mir sicher, dass der kräftig und stramm ist.
Ab und an schaut der Hübsche zu mir herüber und lächelt. Ich überlege, ihn nach seinem Namen zu fragen, und kann selbst nicht glauben, dass ich mich nicht traue. Seit wann bin ich schüchtern?
Die Zeit vergeht rasend schnell. Kein Wunder bei diesem außerordentlichen Entertainment. Gegen Abend stoppt der Zug plötzlich mit einer Vollbremsung, sodass ich kräftig nach vorn geschleudert werde und mit voller Wucht auf dem heißen Kerl lande. Seine Arme schlingen sich um meinen Körper und halten mich fest. Meine Wange ist an seine Brust gepresst und ich meine, seinen schnell pochenden Herzschlag hören zu können. Bevor ich mich aufraffe, atme ich tief ein. Hugo Boss, Schweiß, aber auch etwas Süßes, beinahe wie Zimt – unwiderstehlich gut.
»Tut mir leid«, sage ich und setze mich auf den freien Platz neben ihn. Hastig streiche ich meine Kleidung glatt. »Ich wollte nicht …«
Noch ehe ich weitersprechen kann, ertönt eine Durchsage über die Lautsprecher. »Sehr geehrte Fahrgäste. Wegen eines Defekts an den Schienen müssen wir Sie bitten, den Zug zu verlassen. Der nächste Bahnsteig befindet sich in hundert Metern. Die Reparatur wird voraussichtlich mehrere Stunden dauern. Wir entschuldigen die Störung.«
Ein lautes Murmeln durchzieht den Zug, und während alle hinausstürmen, bleiben der Kerl und ich noch einen Augenblick sitzen. Ich reiche ihm die Hand. »Mein Name ist Matt Henderson.«
»Desmond«, antwortet er mir. »Desmond Brown.«
Seine Augen funkeln, als er meine Hand schüttelt. Sein Griff ist fest und warm. Auch wir schnappen unser Gepäck, verlassen den Zug und beschließen, gemeinsam einen trinken zu gehen. Wir kehren in eine Bar ein – dunkel, rauchig – und verziehen uns in eine Ecke. Es ist angenehm in seiner Gesellschaft, und je mehr Bier ich trinke, desto intensiver spüre ich die kribbelnde Spannung zwischen uns.
Desmond fährt unter dem Tisch mit seinem bestrumpften Fuß über mein Bein. Ein Zittern durchzuckt meinen Körper und in meiner Hose wird es enger.
Auf einmal ist der Fuß verschwunden, jedoch nur, um im nächsten Augenblick zurückzukehren und unter den Jeansstoff auf meine Wade zu wandern. Ich halte den Atem an, als ich merke, dass Desmond keine Socke mehr trägt und ich seine bloßen Zehen auf der Haut spüre.
Desmond grinst mich an, als wäre er die Unschuld selbst, und leckt über seine Lippen, sodass sie
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