Maennerschlussverkauf - Roman

noch nie im Leben gehört habe. Mit begeistert aufgerissenen Augen hält der Geschäftsführer gerade einen Monolog, dem alle außer mir problemlos folgen können.
    »Nicht nur, dass gestern der Audience Flow sensationell war! Nein, man konnte schon ab der ersten Minute sehen, dass wir den Strukturanteil männlich wie auch weiblich in der Kernziel- sowie in der gesamten Zielgruppe von vierzehn bis neunundvierzig nahezu verdreifacht haben! Die Tonalität des Storytellings hat in jeder Minute der Sendung perfekt gepasst. Anna hat die Emotionen und den USP unserer Show ideal verkörpert! Wenn wir das im Daily Format genauso hinbekommen, profitiert davon nicht nur die Prime Time, sondern auch davor die Access und später die Late Prime! Win-Win sag ich da nur! Ich habe meiner Assistentin bereits aufgetragen, einen Development Request für das nächste Format Development Bonds zu erstellen und nach diesem grandiosen Erfolg natürlich auch ein Next Season Board!«
    Ich nicke lächelnd und tue so, als ob ich eine genaue Ahnung davon hätte, was der Mann da von sich gibt.
    »Authentizität!«, brüllt der Vice President vom anderen Ende des Tisches, und mein Kopf schnellt automatisch zu ihm herum. »Unsere Sendergesichter sind so authentisch wie ein Haufen Disney-Figuren auf Koks! Das will doch keiner mehr sehen, dieses ganze gebleachte Grinse-Theater! Aber das gestern, das war echt! Total authentisch! Wie eine Mischung aus Daniela Katzenberger und Angela Merkel, nur mit schöneren Haaren, Niveau und einhundert Prozent zielgruppenaffin! Richtig gut. Wirklich richtig gut«, setzt er nach und nickt bei jedem Wort so heftig, dass seine zu Igelstacheln gegelten Haare im Takt wippen.
    »Na ja, nicht alle Sendergesichter sind so!«, werfe ich vorsichtig ein. »Tom Vanderscheid zum Beispiel …«
    Weiter komme ich nicht, da Vampirella mir unter dem Tisch einen schmerzhaften Tritt gegen das Schienbein verpasst. Fragend funkele ich sie an und kassiere prompt einen ihrer Todesblicke.
    »Da Sie das Thema anschneiden«, meldet sich der Geschäftsführer wieder zu Wort. »Wir bedauern die Kündigung von Herrn Vanderscheid außerordentlich. Aber da daran nichts mehr zu ändern ist und Flash! ein neues Gesicht braucht, möchten wir Ihnen die Moderation des Formats anbieten. Ab sofort. Flash! ist eines der renommiertesten Formate von KNL , und nach der gestrigen Sendung sind wir alle hier über die Maßen davon überzeugt, dass Sie diesem großartigen Format einen frischen, neuen und innovativen Touch verleihen werden. Anna Abendrot und Flash! werden die deutsche Fernsehlandschaft aufmischen! Wir planen großartige Specials! Auf jeden Fall wollen wir live von der Fashion Week in New York senden, die Grammys abdecken und vielleicht – warum nicht? – auch mal eine Livesendung aus Abu Dhabi zur Formel 1 planen. Wir werden ganz neue Wege gehen, und es wird grandios werden!«
    Fünf Augenpaare ruhen auf mir und starren mich erwartungsvoll an.
    »Tom hat gekündigt???« Ich kann nicht glauben, was ich da eben gehört habe.
    »Ja, Herr Vanderscheid wird, natürlich alles noch ganz inoffiziell, der neue Tagesschau -Sprecher. Ganz überraschend war das für uns natürlich nicht. Nur der Zeitplan ist etwas kurzfristig. Herr Vanderscheid möchte seinen gesundheitlichen … Ausfall offenbar für eine Auszeit nutzen. Eigentlich war geplant, dass er Flash! noch einige Wochen weiter moderiert, doch wie sein Management uns heute Morgen mitgeteilt hat, steht er ab sofort nicht mehr zur Verfügung. Das ist zwar vertraglich gesehen nicht ganz astrein, aber da wir mit Ihnen«, er zwinkert mir verschwörerisch zu, »exzellenten Ersatz gefunden haben, wollen wir dieser kurzfristigen Entscheidung ausnahmsweise zustimmen.«
    Für einen kurzen Moment bin ich sprachlos. Tom wird Tagesschau -Sprecher? Nicht überraschend? Das heißt, er hat es schon länger gewusst und vor mir geheim gehalten? Und ich soll ab sofort Flash! moderieren???? Was ist hier eigentlich los? Ich drehe mich zu Verena um. »Heißt das, ich soll künftig die Sendung moderieren? Deine Sendung?«, frage ich sie und ziehe die Augenbrauen hoch.
    »Nun ja«, beginnt die bisher auffallend schweigsame und zurückhaltende Vampirella. »Die Quote gestern war wirklich sensationell.«
    »Natürlich sind wir von Ihrem Talent hin und weg und überzeugt von Ihrer Personality!«, setzt der Vice President schnell hinzu und wirft der Vampirella einen finsteren Blick zu, woraufhin diese sofort in sich