Maennerschlussverkauf - Roman
der Ecke die letzte Kiste, Louisa?«, fragt ein Mann in einem fernsehuntypischen Blaumann und steckt den Kopf zur Tür herein.
Louisa und ich schauen beide automatisch zu der Ecke, auf die er deutet.
»Ja, ist sie!«, antwortet Louisa und will sich wieder meiner Gesichtshaut widmen
Doch ich habe den Kopf immer noch in Richtung der Ecke gedreht, in der ein Karton wartet, auf dem nur ein einziges Wort geschrieben steht: Tom.
Da macht es klick bei mir. Das sind Toms Sachen. Das waren sie zumindest. Jemand hat sie zusammengeräumt, um für meinen Kram Platz zu machen.
WAAAAHHH !
Ich befinde mich in Toms alter Garderobe! Das ist nun wirklich absurd. Und fühlt sich obendrein richtig elend an. Mit glasigen Augen blicke ich dem letzten Karton, einem untrüglichen Beweis für Toms vergangene Anwesenheit, hinterher und muss unwillkürlich schlucken. Als der Mann die Tür hinter sich schließt, ist alles entsorgt, was hier drin je zu Tom gehört hat. Es fühlt sich verdammt danach an, als ob ich schuld daran wäre. Ich könnte auf der Stelle losheulen, und nur unter Aufbringung aller Selbstdisziplin, die ich irgendwo ganz tief in mir drin zusammenkratzen kann, gelingt es mir, das zu vermeiden.
Louisa bekommt trotzdem mit, dass dieser Karton mich ganz schön durcheinanderbringt. »Schon krass, das Ganze mit Tom, nicht?«, fragt sie mich vorsichtig.
Ich nicke nur stumm.
»Das kam alles so plötzlich! Innerhalb eines Tages, das habe ich noch nie erlebt. Gut, als er mir damals von der Tagesschau erzählt hat, fand ich es auch heftig, aber da war es ja noch lange hin bis zu seinem Wechsel. Das jetzt ist viel krasser!«, plappert sie drauflos und massiert dabei irgendein kühlendes Gel in meine Augenringe ein.
Ich nicke leicht. Bis ich förmlich hören kann, wie es in meinem Kopf noch mal leise Klick! macht. Als er ihr damals das mit der Tagesschau erzählt hat???
Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig …
Ich brauche noch einen kurzen Moment, um die Information zu verarbeiten, dann reiße ich die Augen auf und packe Louisas Hand, damit sie mit dem Herummassieren aufhört.
»Er hat dir von der Tagesschau erzählt?«, frage ich sie und kann einen quietschenden Unterton in meiner Stimme nicht unterdrücken.
Erschrocken über meine heftige Reaktion schaut mich die kleine Make-up-Elfe mit großen Augen an und nickt. »Ja, natürlich. Klar war das alles top secret und so, aber in der Maske kriegt man so gut wie immer alles mit« erklärt sie, und als ich darauf nichts erwidere, fängt sie wieder an, konzentriert meine Augenpartie zu bearbeiten.
Kurz darauf referiert sie über die Vorzüge der Masken in den öffentlich-rechtlichen Studios und deren konservative Grundausrichtung, die sich allerdings negativ auf die Auswahl der Make-up-Produkte auswirkt. Ich sage immer noch nichts und tue so, als ob ich ihr zuhören würde. Innerlich koche ich vor Wut. Tom hat der Frau, die ihm die Nase abpudert, von seinem bevorstehenden Senderwechsel erzählt, aber nicht mir??? Der Frau seines Herzens, der Partnerin, die nachts auf seiner Brust eingeschlafen ist, der potenziellen Mutter seiner ungeborenen Kinder! Ausgerechnet mir hat er nichts davon erzählt??? Was geht in diesem Mann eigentlich noch so alles vor, wovon ich nichts weiß?
»Nicht so verkrampfen, bitte!«, piepst meine Make-up-Fee mich leicht angesäuert an.
Erst jetzt merke ich, dass ich vor lauter Tom-Frust die Stirn in Falten lege wie einer von diesen knitterigen, überzüchteten Hunden, denen ständig der Sabber aus der Schnauze läuft. Unwillkürlich fasse ich mir an den Mund. Gut, so sauer ich auch bin, sabbern tue ich vor lauter Zorn noch nicht.
»Lehn dich zurück und entspann dich, Anna. Du wirst sehen, du wirst nachher alles mit Bravour meistern! Kein Grund, nervös zu sein, wir sind alle bei dir!«, flötet sie und tätschelt mir aufmunternd die Wange, woraufhin ich mich gleich wieder wie ein Hund fühle.
Wenn Louisa wüsste, dass die bevorstehende Moderation gerade mein geringstes Problem ist. Wobei … Jetzt, da sie es angesprochen hat, und wenn ich so recht darüber nachdenke, werde ich mit einem Mal ziemlich nervös. Die Livesendung auf der Fashion Week war schließlich eine Ausnahmesituation. Ich wusste gar nicht recht, wie mir geschieht, habe nur reagiert, und ehrlich gesagt haben die meisten nicht viel von mir erwartet, sondern waren auf das Schlimmste gefasst. So betrachtet konnte ich nur gewinnen. Heute sieht die Sache schon ein wenig anders
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