Maennerschlussverkauf - Roman
hat, die Nummer vor. Mit klopfendem Herzen wähle ich und bin froh, dass ich endlich ein Freizeichen höre. Doch als die Dame vom Krankenhausempfang mir mitteilt, dass Tom bereits am Morgen entlassen wurde, verfliegt meine Euphorie im Nu. Dann hätte er sich doch längst bei mir melden müssen?
»Sie haben ihn bereits entlassen!«, teile ich den anderen kurzangebunden mit und wähle direkt Toms Festnetznummer. Ich muss ihn irgendwo erreichen können! Aber auch hier geht nur der Anrufbeantworter dran. Ich hinterlasse eine Nachricht, entschuldige mich noch mal für alles und erkläre so lange, dass die Zeitungsberichte nicht stimmen und ich ihn liebe, bis der Anrufbeantworter genug hat und mich aus der Leitung wirft. Okay, per Telefon wird das wohl nichts.
»Ich muss sofort zu seiner Wohnung!«, verkünde ich deswegen und rase wie ein geölter Blitz aus der Küche.
»Ich fahre dich!«, schreit Leonie mir hinterher.
»Putz dir vorher die Zähne!«, kommt es von Manuel.
Im Eiltempo stürze ich ins Bad, mache mich frisch, ziehe mir etwas an und verlasse mit Leonie im Schlepptau die Wohnung. Doch als wir nach einer Formel-1-verdächtigen Zeit, die Sebastian Vettel die Tränen in die Augen treiben würde, Toms Wohnung erreichen, reagiert niemand auf mein Klingeln. Nach zehn Minuten ohne Lebenszeichen aus der Freisprechanlage und ohne ein Summen des Türöffners, greift Leonie sanft nach meinem Arm.
»Süße, wenn du weiterklingelst, denken irgendwann die Nachbarn, dass du Scientologin bist oder irgendwelche Kids den Klingelstreich ihres Lebens veranstalten. Lass uns gehen …«
»Aber er muss da sein! Wer geht denn bitte schön nicht nach Hause, wenn er gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde?!«, sage ich und drücke noch mal auf das goldene Schild mit der Aufschrift T. Vanderscheid .
»Er vielleicht!«, entgegnet Leonie. »Oder aber er will …«, setzt sie noch mal an und verstummt dann kleinlaut.
»Oder aber er will was ???«, frage ich und wende den Blick vom Klingelschild ab und hin zu Leonie.
»Vielleicht will er dich im Moment wirklich nicht sehen. Er kommt frisch aus dem Krankenhaus, ist fertig, realisiert wahrscheinlich jetzt erst, was passiert ist, und muss das alles erst mal verarbeiten. Gib ihm Zeit. Er hat deine Nachrichten bekommen, er weiß, dass du ihn liebst. Er wird sich melden«, versichert mir meine beste Freundin, und ich kann ihr ansehen, wie schwer es ihr fällt, so ehrlich zu sein.
Am liebsten würde ich »Nein, nein, nein!« brüllen und weiterklingeln, aber ganz tief in mir drin weiß ich, dass sie recht hat. Ich kann nicht mal sagen, wie ich an Toms Stelle reagiert hätte. Wahrscheinlich würde ich ihn schon sprechen wollen und mir seine Version der Geschichte anhören. Aber ich bin weder ein Mann noch hatte ich einen schweren allergischen Schock. Und ich habe auch nicht den größten Moment meiner Karriere wegen eines Ciabatta-Brötchens in der Notaufnahme einer Klinik statt vor der Kamera verbracht.
»Also gut«, seufze ich, »lass uns nach Hause fahren.«
»Das machen wir. Unterwegs spendiere ich dir noch eine extragroße Portion Pommes!«, antwortet Leonie erleichtert und hakt mich unter.
Gemeinsam laufen wir auf ihr Auto zu. Als wir es erreicht haben und ich die Hand ausstrecke, um die Autotür zu öffnen, stocke ich. Was, wenn er nur unter der Dusche war?
»Warte kurz!«, rufe ich Leonie über das Autodach hinweg zu und renne zurück zu Toms Tür. Aufgeregt klingele ich. Einmal. Zweimal. Dreimal. Nichts.
»Anna?«, höre ich Leonies Stimme von der Straße.
Mit hängenden Schultern laufe ich zurück zum Auto und steige ein. »Er hätte im Bad sein können«, erkläre ich leise.
»Ja, das hätte er«, sagt Leonie und drückt fest meine Hand.
Und dann muss ich wieder weinen.
Dreieinhalb Stunden später sitze ich mit dem Geschäftsführer von KNL , dem Vorstandsvorsitzenden, dem zuständigen Senior Vice President, dem Vice President und der Vampirella in einem Konferenzraum im obersten Stockwerk des Sendergebäudes. Dank meines persönlichen Beauty-Task-Force-Teams in Gestalt von Leonie und Manuel sehe ich aus wie das blühende Leben, obwohl ich mich wie ein Häufchen Elend fühle. Nicht mal meine Lieblingsnervennahrung in Form von frittierten Kartoffeln hat mich aufbauen können.
Das interessiert am Tisch allerdings natürlich niemanden. Stattdessen tun sie so, als wäre ich eine Art weiblicher TV -Superheld und werfen mit englischen Fachbegriffen um sich, von denen ich
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