Maennerschlussverkauf - Roman
Verkäufer auf uns zugeeilt, ein leicht irres Grinsen im Gesicht, das wohl verkaufsfördernd sein soll, und flötet: »Na, für welche Modelle haben sich die Ladys denn entschieden?«
Entweder ist der Laden verwanzt, oder der Typ hat ein Gehör, das Superman alt aussehen ließe.
»Die da«, antworte ich und wackele mit den Zehen.
»Eine grandiose Entscheidung«, strahlt er daraufhin, was mir angesichts des Preises, den ich erst an der Kasse erfahren werde, etwas Angst macht.
In dem Moment geschieht jedoch etwas noch viel Beängstigenderes, denn der Mann fängt an, meinen Kartonstapel aufzuräumen.
»Nein!«, ertönt plötzlich ein dreifacher Schreckensschrei, und eine Hand zupft von unten hektisch am Hosenbein des Schuhverkäufers.
Damit hat der Mann wohl nicht gerechnet, denn er stößt einen schrillen Schrei aus und beginnt wie wild um sich zu treten. Offenbar mit schlagkräftigem Erfolg, denn einer der Kartons jault schmerzerfüllt auf, und ehe wir uns versehen, bricht die Kartonwand in sich zusammen. Inmitten des Chaos steht – wie aus dem Nichts erschienen – ein hüpfender Manuel, der sich jaulend das Schienbein hält und etwas von Körperverletzung stammelt. Der ganze Store schaut zu uns herüber, und bis auf Manuels Gehopse und Gejaule herrscht Totenstille. Erst nach einigen weiteren Schrecksekunden durchschneidet eine ungläubige Stimme die Friedhofsruhe.
»Manuel?«, ertönt es leise aus der Geschmacksverirrungsecke, und Alex kommt wieder langsam auf uns zu.
Schlagartig hört Manuel auf zu hüpfen, blickt erschrocken seinen Ex an, dann uns und murmelt nur: »Ich muss weg.«
Eine Zehntelsekunde später hat er sich aus der Kartonwüste befreit, schüttelt die letzten Seidenpapierfetzen von seinen Beinen ab und läuft schnurstracks auf den Ausgang zu. Den verdutzten Alex lässt er kommentarlos stehen. In dem Moment besinnt sich Leonie, rafft ihre Handtasche an sich, spurtet Manuel hinterher und hetzt raus aus dem Laden. Ich sitze noch eine Schrecksekunde länger da, dann berappele auch ich mich und laufe den beiden nach. Allerdings werfe ich Alex im Vorbeigehen noch ein kurzes »Sorry!« zu – wir Betrogene müssen schließlich zusammenhalten.
Erst an der Tür fällt mir auf, dass ich noch die silbernen Pumps mit den Glitzersteinen trage. Hektisch ziehe ich sie aus, werfe sie dem verstörten Verkäufer zu und sage: »Bitte legen Sie die für mich zurück!« Dann stürme ich barfuß aus dem Laden, hinter mir nur sprachlose Menschen und das größte Designerschuhinferno, das diese Straße wohl jemals gesehen hat.
Manuel und Leonie sind mir schon ein gutes Stück voraus, und ich rufe ihnen zu, dass sie auf mich warten sollen. Ich kann barfuß einfach nicht so schnell laufen. Nichtsdestoweniger trippele ich ihnen hektisch hinterher und zucke bei jedem Stein schmerzhaft zusammen. Was war das eigentlich gerade?, frage ich mich und lege noch einen Schritt zu. Dabei weiß ich ganz genau, was das war. Nämlich der eindeutige Beweis dafür, dass nicht nur mein Liebesleben das reinste Chaos ist. Ich befinde mich in bester Gesellschaft.
Eine gute Stunde später sitzen wir alle drei in der Küche und rühren mit kleinen pinkfarbenen Plastiklöffeln in der dickflüssigsten heißen Schokolade, die ich jemals gesehen, geschweige denn getrunken oder besser gelöffelt habe. Auf den Schock hin brauche er erst mal was für die Nerven, meinte Manuel vor einer Viertelstunde und stürmte, direkt nachdem wir zur Tür herein waren, in die Küche, um seine Lieblingstrinkschokolade nach einem Rezept seiner spanischen Mama herzustellen.
Ich habe noch nie zuvor etwas probiert, das dermaßen fantastisch und pervers zugleich schmeckt. Fantastisch, weil das Gebräu einfach nur wie flüssige, heiße Milchschokolade schmeckt und insofern köstlich ist, pervers deswegen, weil selbst mir als hartgesottenem Schoko-Junkie schon nach dem fünften Löffel langsam schlecht wird. Der dürre Manuel scheint die geballte Ladung flüssiger Kalorien weitaus besser wegzustecken. Verblüfft schaue ich ihm zu, wie er seinen Löffel im Sekundentakt in dem großen Topf auf dem Herd versinken lässt und sich Mamas Schokolade reinschaufelt, als handelte es sich um Hühnerbrühe.
Als sein Löffel nach guten zehn Minuten endlich über den Boden des Topfes kratzt (Leonie und ich haben bereits nach vier Minuten und einem drohenden Schoko-Flash aufgegeben), führt er sich die allerletzten Überreste seines spanischen Wundermittels zu Gemüte, wirft
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