Maennerschlussverkauf - Roman
dann den Löffel in hohem Bogen in die Spüle, klatscht in die Hände, dreht sich geschäftig zu uns um und meint in trockenem Ton: »Also gut, lasst uns tanzen gehen!«
Während ich ungläubig die vor meiner Nase vor lauter Enthusiasmus zugeschlagene quietschgelbe Küchenuhr mustere (mittlerweile ist es zwanzig nach zehn), wirft Leonie ihren Löffel – wenn auch deutlich vorsichtiger – ebenfalls in die sowieso schon gnadenlos überfüllte Spüle und tänzelt durch die Küchentür in Richtung ihres Zimmers. Ratlos bleibe ich allein mit dem ausgekratzten Schokotopf zurück und rufe unsicher: »Müssen wir nicht morgen arbeiten?« in Richtung Flur.
Als mir daraufhin ein zweistimmiges »Mach dich locker, Anna!!!« entgegenschallt, zucke ich die Schultern, versuche den Gedanken an die Neun-Uhr-Konferenz und die themengeile Vampirella zu verdrängen und werfe auch meinen Löffel in die Spüle. Natürlich treffe ich nicht, sondern er landet in hohem Boden auf dem Schachbrettküchenboden und hinterlässt auf den weißen Fliesen unschöne braune Streifen. Egal.
Wie von mir verlangt, mache ich mich locker, drehe mich um und laufe in den Flur, um in meinem Kofferklamotten chaos nach meinem rosa Seidenkleid zu suchen. Die Küchen tür drücke ich vorsichtshalber doch lieber ganz sanft hinter mir zu.
Kaum habe ich den ersten Koffer durchwühlt und mein Seidenkleid glücklicherweise ganz unten zwischen ein paar Spitzentangas und meinen Winterwollsocken gefunden, stürmt auch schon Leonie (in dem kürzesten Kleid, das ich jemals gesehen habe), gefolgt von Manuel (in der engsten Jeans, die ich jemals gesehen habe, und dem knallbonbonfarbensten Hemd, das ich jemals gesehen habe) herein. Unglaublich, wie schnell die beiden sich partytauglich machen können, vor allem wenn man bedenkt, wie lange sie morgens brauchen.
Gerade will ich sie fragen, ob sie heimlich Partystyling als Ersatzsportart trainieren, da reißt mir Leonie das zartrosa Seidenkleid aus der Hand. Fassungslos breitet sie es vor sich aus, mustert dann noch schockierter das Etikett des Kleides (habe ich letzten Sommer im Schlussverkauf bei Esprit erstanden) und wirft es fast schon angewidert Manuel zu. Der quiekt kurz auf, zischt etwas, das wie »abscheulicher Fetzen« klingt, knüllt mein geliebtes Seidenkleid zusammen und befördert es mit einem gekonnten Wurf über die Schulter in den Flur. Jetzt bin ich noch froher, die Küchentür geschlossen zu haben (Schokolade macht sich auf Seide nicht so gut), und rufe den beiden empört zu, dass der abscheuliche Fetzen zufällig mein Lieblingskleid sei und außerdem meinen Pfirsichteint wunderbar betone. Das hat zumindest Marcel immer behauptet, aber das muss ich den beiden ja nicht unbedingt auf die Nase binden.
»Deinen Pfirsichteint vielleicht, aber das ist dann auch das Einzige, was dieser wahr gewordene Modekettenalbtraum betont. Du brauchst etwas, das eher deine Pfirsiche betont als deinen Teint, sonst gehst du im Stüberl komplett unter«, klärt mich Manuel mal wieder mit erhobenem Zeigefinger auf.
»Im Stüberl?«, frage ich misstrauisch und habe sofort Bilder von Skipisten, Käsefondue und DJ Ötzi im Kopf.
»Im P 1, mein Hase«, erklärt mir Leonie mit einem sanften Lächeln und zaubert eine Handvoll Stoff hinter ihrem Rücken hervor, die bei näherer Betrachtung und mit viel gutem Willen tatsächlich ein Kleid darstellen könnte. Ein sehr kleines Kleid allerdings.
»Ist von Topshop, sieht im Dämmerlicht aber wirklich original nach DKNY aus«, säuselt Leonie fast mit ein wenig Mutterstolz in der Stimme und fängt an mir geschäftig die Bluse aufzuknöpfen.
Auch Manuel wird langsam ungeduldig, klatscht mal wieder in die Hände und verkündet, dass er nach diesem hochtraumatischen Erlebnis gleich durchdrehen müsse, wenn die chicas (also Leonie und ich) jetzt nicht endlich abflugbereit seien. Auf irgendeine fast schon magische und Leonieeigene Art bin ich dank ihres Wunder-Make-up-Kastens fünf Minuten später tatsächlich fertig, stürme hinter den beiden aus der Wohnungstür zum wartenden Taxi und versuche die ganze Zeit, mir das megaenge Schlauchkleid wenigstens über den Hintern zu ziehen, was mir nur halb gelingt. Ich bin nicht wirklich sicher, was mich erwartet, aber komischerweise freue ich mich darauf.
Das Stern-des-Südens-Outing
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