Maennerschlussverkauf - Roman
selben Meeting. Was dagegen, wenn ich meine Freundin auf einen Kaffee einlade?«, fragt er mich.
»Nein, ganz bestimmt nicht!«, antworte ich mit einem breiten Grinsen und beginne im Geiste auf und ab zu hüpfen.
Er hat mich »seine Freundin« genannt!!!! Seine Freu-heu-ndin!!!
»Na, dann komm! Geben wir der Redaktion neuen Gesprächsstoff!«, schmunzelt Tom (anscheinend sieht man mir mein geistiges Rumgehüpfe doch an) und nimmt meine Hand.
Und dann trinken wir den schönsten Kaffee meines Lebens, bevor ich abends zur Feier des Tages noch mit Leonie zum Shoppen gehe (oder vielmehr hüpfe) und danach für meine Mitbewohner Hühnchencurry koche, das fast gar nicht zu scharf wird. Heute war zwar nicht in jeder einzelnen Minute ein perfekter Tag, aber einzelne Minuten davon waren schon ziemlich nahe dran …
Drama Baby!
Shoppingbeutetagebuch:
Zauberhafte Designer-Flatter-Abendkleider (eigentlich zählen die gar nicht, weil ich sie nicht bezahlen musste, denn sie sind alle für die Fashion Week): 4
Clutch, mit Perlen bestickt (mir ist aufgefallen, dass ich keine Abendtaschen habe, die zu den zauberhaften Designer-Flatter-Abendkleidern passen): 1
Schwindelerregend hohe Highheels, die die zauberhaften Flatterabendkleider noch dramatischer aussehen lassen: 2 Paar (Schuhe hat frau ja bekanntlich sowieso nie genug)
Juhu! Heute habe ich Anprobe für die Show, bei der ich als Reporterin mitlaufen werde. Das heißt, ich darf den ganzen Tag Kleider anprobieren, damit herumstolzieren und das dann auch noch Arbeit nennen. Zumindest stelle ich es mir so vor. Als ich den Fitting Room betrete, bin ich mir da allerdings nicht mehr so sicher. Gefühlte zweihundert Frauen laufen kreischend umher, wedeln mit Klamotten und streiten sich darum, wer welches Kleid tragen darf. Dazwischen wuseln wichtige Menschen mit Headsets, intellektuellen Brillen und Kurzhaarschnitten herum und fauchen die kreischenden Damen an.
»Anna!«, höre ich plötzlich meinen Namen, und während ich mich noch fasziniert dem Chaos widme, kommt mein Kameramann Sven auf mich zugelaufen. »Krasse Sache, oder?«, sagt er.
»Ja, was für ein Chaos, ich blicke gar nicht mehr durch!«, antworte ich und bin erleichtert, dass nicht nur ich mich so verloren fühle.
»Ach, das meine ich gar nicht, ist eher ’ne kleine Show hier. Aber ich hab noch nie so viele Minimodels auf einem Haufen gesehen! Die sind ja alle mindestens zwanzig Zentimeter zu klein für den Laufsteg, da fällst du nicht mal unangenehm auf!«, feixt er und boxt mir verschwörerisch in die Rippen. Allerdings einen Tick zu fest.
»Das ist ja auch die Linie, die speziell für kleinere Frauen entwickelt wurde. Baronesse petite! So was haben heutzutage ganz viele Marken im Programm«, erkläre ich ihm schnell und reibe mir unauffällig die Rippen. Das mit dem unangenehm auffallen fand ich nicht so nett von ihm. Vor allem das Detail, dass ich ausnahmsweise mal nicht unangenehm auffalle.
»Ich finde kleine Frauen sowieso viel besser!«, sagt Sven daraufhin in versöhnlichem Ton. »Ist einfacher fürs Bild!«, setzt er überflüssigerweise hinzu.
Daraufhin wende ich mich ab und versuche endlich einen Ansprechpartner zu finden, der mir meine Kleider zeigen kann. »Ähm, entschuldigen Sie, ich bin Anna Abendrot. Können Sie mir bitte weiterhelfen, ich suche meine Kleider …«, spreche ich höflich eine Frau mit Irokesenschnitt und neongrünen Wimpern an, die gerade an mir vorbeieilt.
»Sehe ich aus wie die Auskunft, Kleine? Frag Marküs!«, schnauzt sie mich an und rennt weiter.
Empört drehe ich mich zu Sven um und flüstere ihm zu: »In was für einem Irrenhaus sind wir bitte gelandet?«
Doch statt wie erwartet in seine verschwörerisch zwinkernden Augen zu blicken, starre ich mitten in das Objektiv. Der Fiesling hat bereits angefangen zu drehen, ohne mir etwas zu sagen, und natürlich hat er meine erste gelungene Begegnung mit der Fashion-Welt gleich digital festgehalten. Na super. Ich beschließe, die Kamera samt Kameramann zu ignorieren und mich zu diesem ominösen Marküs (ob das Ü wohl eine Lebenseinstellung ausdrücken soll?) durchzufragen, in der Hoffnung, dass er ein bisschen netter ist als das Wimperntierchen eben.
»Bleib einfach professionell und ruhig, Anna, dann kann nichts passieren!«, rede ich mir selbst gut zu, auch wenn ich weiß, dass mir das meistens sowieso nicht gelingt.
In den nächsten Minuten spreche ich einen platinblonden Hünen im orangefarbenen Maßanzug, einen
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