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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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daß hier der Behördenverstand über dem des gesunden Menschenverstandes steht. Praktisch gedacht: das Auswechseln des Kopfkissens bei Herrn Dormagen war selbstverständlich für Sie als Pflegerin, ich hätte es auch veranlaßt, wenn ich es gesehen hätte … für die Verwaltung aber ist das wiederum ein Beweis, wie wertvolles Seifenpulver verschwendet wird, denn einer, der im Sterben liegt, merkt nicht, ob er auf einem beschmierten Kissen liegt oder auf einem sauberen. Verstehen Sie das?«
    »Nein, Herr Professor.«
    »Ich auch nicht!«
    »Aber …«
    »Was aber? Deshalb wollen Sie die Sachen hinwerfen und aufhören, den Menschen zu helfen?! Liebe kleine Schwester … Sie sind zu einer Schlüsselfigur der deutschen Krankenpflege geworden! Nicht Sie allein, Ihr Schwesternstand! Ärzte gibt es genug, die Hörsäle quellen über vor Medizinstudenten. Manchmal unterbreche ich mitten in meiner Vorlesung, sehe mir die Flut der jungen Gesichter an, die auf mich niederbricht, und frage: ›Meine Damen und Herren, woher nehmen Sie bloß diesen Optimismus?!‹ Die wenigsten verstehen mich und lachen wie über einen Witz und merken nicht, wie makaber das alles ist! Was uns fehlt, sind Sie – die Schwestern, die Pfleger, die großen Idealisten, die man heute noch als ›Handlanger der Medizin‹ betrachtet, weil man nicht erkannt hat, daß es nicht genügt, Krankenhäuser zu bauen und neue Hörsäle zu errichten, wenn dann diese Krankenhäuser dastehen, gefüllt mit Betten, umlagert von Ärztekitteln, aber ohne eine Schwester! Dann steht man da und jammert und muß – wie es bereits geschehen ist – das neue Krankenhaus schließen, weil es keine Schwestern gibt. Und das in einer Gegend, wo sechzigtausend Krankenhausbetten fehlen!« Prof. Morus wiegte den Kopf und sah Inge ernst an. »So ist es, kleine Schwester. Wir brauchen Sie, wir, die Ärzte, und vor allem wir, die Patienten … daran sollten Sie denken … für die Behörden sind Sie eine Stufe höher als eine Klosettfrau, obgleich ja auch das ein durchaus ehrbarer Beruf ist. Aber wir Deutschen sind nun einmal noch nicht so weit, daß wir die Klassifizierung der Menschen abschaffen und eine Krankenschwester – etwa wie in den USA – als eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der Medizin betrachten und auch danach bezahlen! Der deutsche Untertansgedanke spukt noch immer in den Gehirnen, das ist nun mal so … unser Symbol ist der kämpferische Adler, nicht die kluge Eule …«
    Inge Parth sah auf den wertvollen Teppich, der den Boden des Chefzimmers fast ganz bedeckte. Es war das erstemal, daß sie Prof. Morus in einer so langen privaten Rede hörte, und es würde ihr auch keiner glauben, wenn sie es erzählte. Morus galt als Despot in der Klinik, als völlig unnahbar, ein Herrscher über dreihundertfünfzig Betten und eine Kompanie von Ärzten und Medizinalpraktikanten.
    »Sie haben recht, Herr Professor«, sagte sie leise. »Aber …«
    »… es ist kein Auskommen mit Schwester Angela.«
    »Jetzt nicht mehr. Wir werden immer zusammenstoßen.«
    »Dann versetze ich Sie auf eine andere Station. Aber auch dort wird es kaum anders sein. Es liegt nicht an Schwester Angela allein. Bis auf wenige Ausnahmen befinden wir uns in der sozialen Schwesternlage noch in den Anfängen einer vernünftigen Wertung. Ich würde es bedauern, wenn Sie weggingen.«
    »Man sagt, daß auch Sie gehen wollen, Herr Professor.«
    Prof. Morus zog die Augenbrauen hoch. Früher hätte diese Frage genügt, loszubrüllen und den Frager einfach aus dem Zimmer zu werfen. Heute – und das war die verblüffende Wandlung – konnte sich Morus darüber unterhalten.
    »Sagt man das?«
    »Ja.«
    »Es stimmt.«
    »Aber wenn Sie gehen … warum soll dann nicht ich …«
    »Ich sagte es ja schon, Schwesterchen: Ärzte gibt es genug! Wir kranken in den Krankenhäusern an den Schwestern! Ein Arzt hinterläßt keine Lücke – im Gegenteil, es warten auf seinen Platz dreißig andere. Aber eine Schwester, die weggeht, kann eine ganze Station zum Erliegen bringen. Das wissen Sie doch. Und darum bitte ich Sie, es sich zu überlegen. Sie arbeiten nicht für Schwester Angela, sondern Sie helfen den Kranken, die ohne Sie verlassen sind und hilflos.«
    Inge nickte und nagte an der Unterlippe.
    »Ich … ich werde es mir überlegen, Herr Professor«, sagte sie leise.
    »Das ist gut. Und sagen Sie mir, was Sie sich überlegt haben.«
    Im Vorzimmer betrachtete die Sekretärin kritisch die herauskommende Inge Parth.

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