Märchen aus 1001 Nacht
zusammengeführt hatte. Alsdann wendete sich der älteste unter ihnen, der Prinz Husein, zu den anderen und sagte: âEs geziemt uns nun, dass ein jeder seine Abenteuer erzählt und berichtet, welches seltene Ding er heimgebracht hat und welche be- sondern Eigenschaften es besitzt; und da ich der älteste bin, will ich zuerst meine Erlebnisse erzählen. Ich bringe von Bischangarh einen Teppich mit, der zwar unansehnlich ist, jedoch die Eigenschaft besitzt, dass, wenn sich einer darauf setzt und auch nur in Gedanken den Wunsch hat, irgendein Land oder eine Stadt zu besuchen, er sogleich sicher und bequem dorthin getragen wird, mag der Ort Monate und Jahre weit entfernt sein. Ich bezahlte vierzigtausend Goldstücke für ihn und setzte mich nach Besichtigung aller Wunder von Bischangarh auf ihn und wünschte mich hierher; und sofort befand ich mich hier, so wie ich es gewünscht hatte und wartete in dieser Karawanserei drei Monate lang auf euer Eintreffen. Ich habe den fliegenden Teppich bei mir und wer es will, mag ihn erproben.â
Als der älteste Prinz seine Erzählung beendet hatte, hob der zweite an und sagte: âO mein Bruder, der Teppich, den du mitbrachtest, ist seltsam und besitzt höchst wunderbare Eigenschaften; nach deiner Beschreibung hat niemand etwas in der Welt gesehen, das ihm zu vergleichen wäre.â Alsdann zog er das Fernrohr hervor und fuhr fort: âSchaut her, ich habe ebenfalls für vierzigtausend Aschrafis etwas gebracht, dessen Wert ich euch jetzt zeigen will. Seht ihr dieses Elfenbeinrohr? Hierdurch kann man Dinge wahrnehmen, die den Augen verborgen und viele Meilen entfernt sind; erprobt es, wenn ihr wollt. Haltet nur ein Auge dicht an das kleinere Glas und wünscht euch, was ihr nur immer zu sehen begehrt; mag es nahe oder Hunderte von Meilen von euch entfernt sein, dieses Elfenbein wird euch den Gegenstand deutlich und ganz nahe vors Auge bringen.â Bei diesen Worten nahm der Prinz Husein das Rohr aus Alis Hand und das eine Ende nach Vorschrift an sein Auge haltend, wünschte er sich im Herzen, die Prinzessin Nur en-Nahar zu sehen, während die beiden anderen Brüder ihm zusahen, um zu hören, was er sagen würde. Plötzlich gewahrten sie, wie sein Gesicht die Farbe wechselte und fahl wie eine verwelkte Blume wurde, während ihm vor Kummer und Aufregung ein Tränenstrom aus den Augen brach. Ehe seine Brüder sich noch von ihrem Erstaunen erholten und ihn über den Grund dieses sonderbaren Vorfalls fragen konnten, rief er: âO weh! Wir haben Mühsal und Plagen erduldet und sind soweit und fern gereist, in der Hoffnung, die Prinzessin Nur en- Nahar zu heiraten.
Doch alles war vergeblich. Ich sah sie auf ihrem Bett todkrank und in den letzten Zügen daliegen, umgeben von ihren Frauen, die alle aufs Tiefste bekümmert weinen und wehklagen. O meine Brüder, wenn ihr sie noch einmal schauen wollt, so werft durch das Glas einen letzten Blick auf sie, ehe sie gewesen ist.â Da ergriff der Prinz Ah das Fernrohr und spähte hindurch, worauf er die Prinzessin in dem Zustande fand, wie sein Bruder Husein es angegeben hatte. Dann reichte er das Fernrohr dem Prinzen Achmed, der ebenfalls hindurchblickte und sich überzeugte, dass die Prinzessin Nur en-Nahar im Begriff stand, den Geist aufzugeben. Hierauf sagte er zu seinen älteren Brüdern: âWir drei lieben die Prinzessin gleich heià und der teuerste Wunsch eines jeden von uns ist, sie zu gewinnen. Ihr Leben ist im Hinscheiden, jedoch vermag ich sie zu retten und gesund zu machen, wenn wir unverzüglich zu ihr eilen.â Mit diesen Worten zog er den Zauberapfel aus seiner Tasche und zeigte ihnen denselben, indem er sagte: âDieses Ding hat nicht weniger Wert als der fliegende Teppich oder das Fernrohr. Ich kaufte den Apfel in Samarkand für vierzigtausend Aschrafis und hier haben wir die beste Gelegenheit, seine Kraft zu prüfen. Die Leute sagten mir, dass ein Kranker, auch wenn er dem Tode nahe wäre und den Apfel an seine Nase hielte, sofort wieder wohl und gesund würde. Ich habe ihn selber geprüft und jetzt sollt ihr seine Wunderkur sehen, wenn ich ihn bei Nur en-Nahar anwende. Lasst sie uns nur vor ihrem Tode aufsuchen.â Da sagte der Prinz Husein: âDas ist ein leichtes Ding; mein Teppich wird uns im Nu dicht an das Bett unserer Geliebten tragen. Setzt euch mit mir auf ihn, denn er hat genug Platz für uns drei. Wir
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