Märchen aus 1001 Nacht
Gattin geschenkt hatte. Ich ruhte in jener Nacht in Freuden und Liebeswonnen bei ihr; am nächsten Tage aber, als das Mittagsmahl für uns beide aufgetragen wurde, fand ich sie nicht bei Tisch und schickte nach ihr, um sie holen zu lassen, worauf sie nach einiger Frist erschien und sich an den Tisch setzte. Ich unterdrückte mein Missbehagen und entschuldigte ihr Zuspätkommen, um nichts an ihr auszusetzen, wofür ich bald reichlichen Grund hatte. Es traf sich nun, dass sich unter den mancherlei Gerichten, die für uns aufgetragen waren, auch ein feiner Pilaw befand, von dem ich, wie es in unserer Stadt üblich ist, mit einem Löffel zu essen begann; sie zog jedoch einen Ohrlöffel aus ihrer Tasche und begann damit den Reis aufzunehmen und ihn Korn für Korn zu essen. Als ich dieses sonderbare Benehmen sah, wurde ich vor Staunen starr und es kochte in mir, doch sagte ich in sanftem Ton: âO meine Amine, was ist das für eine Art zu essen? Hast du es so von deinen Angehörigen gelernt, oder zählst du die Reiskörner, um hernach ein kräftiges Mahl einzunehmen? Du hast während dieser ganzen Zeit nur zehn oder zwanzig Körner gegessen. Oder bist du vielleicht sparsam? Wenn dies der Fall ist, so wisse, dass mir Allah, der Erhabene, reiches Gut beschert hat und sei darum unbesorgt; tu, mein Liebling, wie alle anderen und iss, wie du deinen Gatten essen siehst.â Ich glaubte sicherlich, dass sie einige Dankesworte an mich richten würde, jedoch sprach sie nicht die kleinste Silbe und hörte nicht auf, ein Korn nach dem anderen aufzulöffeln, ja, um mich noch mehr zu erzürnen, machte sie nach jedem Korn eine groÃe Pause. Als der nächste Gang, Kuchen, kam, zerbrach sie lässig etwas Backwerk und steckte eine oder zwei Krumen in ihren Mund; kurz, sie aà weniger, als was einen Sperlingsmagen zufrieden gestellt hätte. Ich wunderte mich, sie so starrsinnig und eigenwillig zu sehen, doch sprach ich in meiner Unschuld bei mir: Vielleicht ist sie nicht gewohnt, mit Männern zu essen und vornehmlich mag sie verlegen sein, in der Gegenwart ihres Gatten wacker zuzulangen; sie wird mit der Zeit wie andere Leute tun. Ich vermutete auch, sie könnte bereits gegessen und den Appetit verloren haben oder es könnte vielleicht ihre Gewohnheit gewesen sein, allein zu essen. So sagte ich nichts und ging nach dem Essen aus, frische Luft zu schöpfen und Speere zu werfen, ohne noch weiter an den Vorfall zu denken. Als wir beide jedoch wieder beim Mahl saÃen, aà meine Frau wie zuvor und verharrte in ihrer Verkehrtheit, sodass ich mich schwer beunruhigte und mich verwunderte, wie sie ohne Nahrung leben konnte.
Eines Nachts traf es sich, dass sie sich, im Glauben, ich läge in tiefem Schlafe, heimlich von meiner Seite erhob, wiewohl ich völlig wach war und bemerkte, dass sie sich vorsichtig vom Lager erhob, als fürchtete sie, mich zu stören. Ich verwunderte mich über die MaÃen, weshalb sie aus dem Schlaf aufstand, um mich in dieser Weise zu verlassen und nahm mir vor, die Sache klarzustellen. Ich stellte mich deshalb, als ob ich schliefe und schnarchte, indem ich sie dabei, während ich dalag, beobachtete. Da sah ich, dass sie sich ankleidete und das Zimmer verlieÃ, worauf ich aus dem Bett sprang und, meine Sachen überwerfend und mein Schwert über die Schulter hängend, aus dem Fenster spähte, um zu sehen, wohin sie ginge. Sie schritt über den Hof und öffnete die StraÃentür, worauf sie fort ging. Da eilte ich ebenfalls zur Tür hinaus, die sie offen gelassen hatte und folgte ihr im Mondschein, bis sie einen Totenacker nahe bei unserem Hause betrat. Als ich dies sah, blieb ich auÃerhalb des Totenackers hart an seiner Mauer stehen und spähte hinüber, sodass ich sie belauschen konnte, ohne dass sie mich gewahrte. Und siehe, da sah ich, dass Amine mit einem Ghul da saÃ! Deine Hoheit weià sehr wohl, dass die Ghule zur Sippschaft der Teufel gehören, sie sind unreine Geister, die in Ruinen hausen und einsame Wanderer erschrecken und sie bisweilen ergreifen und sich von ihrem Fleisch nähren. Wenn sie jedoch am Tage keinen Reisenden zu verzehren finden, so gehen sie nachts auf die Totenäcker und graben Leichname aus und verschlingen sie. Ich war deshalb starr vor Schrecken, mein Weib bei einem Ghul sitzen zu sehen. Hierauf gruben beide einen frisch bestatteten Leichnam aus seinem Grab und der Ghul und mein
Weitere Kostenlose Bücher