Märchen aus 1001 Nacht
weigerte, desto inständiger bestand ich darauf, bis ich zum Schluss mich bei Allah verschwor und sprach: âO Derwisch, alles, was ich verlangte, gewährtest du mir freiwillig und jetzt habe ich allein noch diese Bitte an dich zu richten. Bei Allah, widersprich mir nicht und erfülle mir dies als deine letzte Huld und was mir auch immer widerfahren mag, ich will dich dafür nicht zur Verantwortung ziehen. Mag das Schicksal Gutes oder Schlimmes beschlieÃen!â
Als der Heilige sah, dass seine Weigerung nichts frommte und dass ich ihn durch mein heftiges Drängen belästigte, legte er die winzigste Kleinigkeit Salbe auf mein rechtes Augenlid und als ich nun meine Augen weit auftat, siehe, da war ich auf beiden Augen stockblind; ich vermochte wegen der schwarzen Finsternis vor ihnen nichts zu sehen und seit jenem Tag bin ich blind und hilflos, wie du mich antrafst. Als ich merkte, dass ich blind geworden war, rief ich: âO unseliger Derwisch, was du voraussagtest, ist eingetreten.â Dann verfluchte ich ihn und sprach: âWollte der Himmel, dass du mich nie zu dem Schatz geführt oder mir solchen Reichtum gegeben hättest! Was nützen mir nun all dieses Gold und alle diese Juwelen? Nimm deine vierzig Kamele zurück und mach mich wieder gesund.â Er versetzte jedoch: âWelches Ãbel fügte ich dir denn zu? Ich erwies dir mehr Güte als sonst ein Mensch einem anderen. Du wolltest nicht auf meine Worte hören, sondern verhärtetest dein Herz und giertest danach, diesen Reichtum zu gewinnen und die verborgenen Schätze der Erde zu schauen. Du begnügtest dich nicht mit dem, was du besaÃest, sondern zweifeltest an meinen Worten, im Glauben, ich betröge dich, dein Fall ist völlig hoffnungslos, denn du wirst nie dein Augenlicht wiedergewinnen; nein, nimmermehr.â Unter Tränen und Jammern sagte ich nun: âO Fakir, nimm deine achtzig Kamele, beladen mit Gold und Edelsteinen, zurück und zieh deines Weges; ich spreche dich von aller Schuld frei, nur bitte ich dich bei Allah, dem Erhabenen, mir, so du es vermagst, mein Augenlicht wieder zu schenken.â Er erwiderte mir jedoch kein Wort, sondern verlieà mich in meiner elenden Lage und führte, indem er die achtzig mit den Schätzen beladenen Kamele vor sich her trieb, die Lasten nach Basra. Ich schrie laut und flehte ihn an, mich aus der todbringenden Wildnis mit sich zu nehmen oder mich auf den Pfad irgendeiner Karawane zu setzen. Er achtete jedoch nicht auf mein Schreien, sondern lieà mich daselbst zurück. Als mich der Derwisch verlassen hatte, wäre ich fast vor Kummer und Schmerz über den Verlust meines Augenlichts und meiner Schätze und an den Qualen des Durstes und hungers gestorben. Glücklicherweise zog jedoch am nächsten Tage eine Karawane von Basra durch jene StraÃe, deren Kaufleute Mitleid mit mir empfanden, als sie mich in solchem Zustand gewahrten und mich mit sich nach Bagdad nahmen. Hier vermochte ich nichts zu tun, als mein Brot zu erbetteln, um mein Leben zu fristen; und so wurde ich ein Bettler und gelobte vor Allah, dem Erhabenen, als Bestrafung für meine unselige Habsucht und verruchte Gier von jedem, der sich meiner erbarmte und mir ein Almosen schenkte, eine Ohrfeige zu erbitten. Deshalb bedrängte ich dich gestern auch mit solcher Hartnäckigkeit.
Als der Blinde seine Geschichte beendet hatte, sprach der Kalif: âO Baba Abdullah, die Sünde war groà und mag sich Allah deiner erbarmen! Jetzt bleibt dir nichts weiter übrig, als dass du deine Geschichte den Frommen und Einsiedlern erzählst, dass sie ihre hilfreichen Gebete für dich erheben. Sorge dich hinfort nicht weiter um dein täglich Brot; ich habe mich entschlossen, dir für deinen Unterhalt täglich aus meiner königlichen Schatzkammer eine Gabe von vier Dirham zu schenken, so lange, wie du lebst. Sieh jedoch zu, dass du nicht weiter in meiner Stadt umhergehst und Almosen erbettelst.â Da bedankte sich Baba Abdullah beim Fürsten der Gläubigen und sprach: âIch will tun, wie du es mich heiÃest.â Als der Kalif Harun al-Raschid die Geschichte von Baba Abdullah und dem Derwisch vernommen hatte, wendete er sich zu dem jungen Mann, den er die Stute in vollem Galopp hatte reiten und grausam peitschen und misshandeln sehen. Er redete ihn an und fragte ihn: âWie heiÃt du?â, worauf der Jüngling, seine Stirn senkend, erwiderte:
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