Märchen aus 1001 Nacht
ist und in der Zeit seiner Mannheit all sein Gut verschleudert und in schweres Elend gerät; es fehlt ihm dann die Kraft, sein Gut wiederzugewinnen und durch seinen Verstand und Fleià in Bequemlichkeit zu leben.â Saad versetzte: âWeder Verstand noch Fleià frommen irgendeinem, sondern allein das Schicksal setzt einen instand, Reichtum zu gewinnen und behalten. Elend und Not sind nur Zufälle und Vorsicht ist nichts. Manch ein armer Mann ist durch des Schicksals Gunst reich geworden und viele Reiche sind trotz ihrer Tüchtigkeit und ihres Vermögens in Not und Armut geraten.â Saadi entgegnete: âdu sprichst töricht; lass uns indessen die Sache einer geeigneten Probe unterwerfen, indem wir uns einen unbemittelten Handwerker aussuchen, der von seinem täglichen Verdienst lebt. Wir wollen ihm etwas Geld geben, worauf er zweifellos seinen Vorrat vermehren und in Ruhe und Bequemlichkeit leben wird; du wirst dich auf diese Weise von der Wahrheit meiner Worte überzeugen.â Als sich nun die beiden auf den Weg machten, schritten sie durch die Gasse, in welcher meine Wohnung stand und sahen mich Seile drehen, ein Handwerk, das mein Vater und GroÃvater und viele Geschlechter vor mir bereits betrieben hatten. Sie schlossen aus dem Zustand meines Hauses und meiner Kleidung, dass ich ein armer Mann sei, worauf Saad zu Saadi sagte, indem er auf mich wies: âWenn du eine Probe auf unsern Streitpunkt machen willst, so sieh jenen Mann. Er wohnt hier seit langen Jahren und verdient durch sein Seilerhandwerk ein dürftiges Brot für sich und die Seinigen. Ich kenne seine Lage seit langem sehr gut; er ist eine passende Person für die Probe, gib ihm daher einige Geldstücke und versuche die Sache.â Saadi versetzte: âRecht gern; zuvor lass uns jedoch genaue Kenntnis von ihm gewinnen.â
Hierauf traten die beiden Freunde an mich heran und ich verlieà meine Arbeit und begrüÃte sie. Nachdem sie mir den Salam erwidert hatten, fragte mich Saad: âMit Verlaub, wie ist dein Name?â Ich erwiderte: âIch heiÃe Hassan, jedoch nennen mich alle Leute wegen meines Seilerhandwerks Hassan, den Seiler.â Hierauf fragte mich Saadi: âWie fährst du bei diesem Handwerk? Mir scheint, du bist guter Dinge und völlig mit ihm zufrieden. Du hast lange und gut gearbeitet und hast sicherlich eine groÃe Menge Hanf und anderen Vorrat aufgestapelt, deine Vorfahren betrieben lange Jahre dieses Handwerk und haben dir jedenfalls viel Kapital und Besitz hinterlassen, die du gut benutzt hast und in dieser Weise hast du dein Gut sehr vermehrt.â Ich versetzte: âO mein Herr, ich habe kein Geld in der Tasche, von dem ich zufrieden leben oder mir überhaupt genug zu essen kaufen könnte. Meine Lage ist so, dass ich Tag für Tag von morgens bis abends Seile drehe und keinen einzigen Augenblick der Ruhe finde; und doch bin ich dabei in groÃer Not, auch nur trocken Brot für mich und meine Familie zu beschaffen. Ich habe ein Weib und fünf kleine Kinder, die noch zu jung sind, um mir in meinem Handwerk zur Seite zu stehen; es ist keine leichte Arbeit, ihre täglichen Bedürfnisse zu befriedigen; wie kannst du dem nach annehmen, dass ich imstande wäre, groÃe Mengen von Hanf und Material aufzuspeichern? Die Seile, die ich jeden Tag drehe, verkaufe ich sofort und von dem Geld, das ich hierdurch verdiene, gebe ich einen Teil für unsere Bedürfnisse aus und für den anderen kaufe ich Hanf, aus dem ich am anderen Tage Seile drehe. Indessen, gelobt sei Allah, der Erhabene, dass er uns, trotz dieser meiner dürftigen Lage, mit hinreichendem Brot versieht.â Als ich meine ganze Lage klargelegt hatte, sagte Saadi: âO Hassan, nun bin ich über deine Lage unterrichtet, die allerdings anders ist, als ich es vermutete. Wenn ich dir nun einen Beutel mit zweihundert Aschrafis gebe, so wirst du dadurch sicherlich deinen Gewinn sehr erhöhen und imstande sein, in Bequemlichkeit und Hülle und Fülle zu leben; was sagst du dazu?â Ich versetzte: âWenn du mir solch ein Geschenk geben willst, so hoffe ich, reicher als alle meine Zunftgenossen zu werden, wiewohl die Stadt Bagdad blüht und volkreich ist.â Da mich nun Saadi für aufrichtig und vertrauenswürdig hielt, zog er aus seiner Tasche einen Beutel mit zweihundert Aschrafis und sagte zu mir, indem er ihn mir reichte: âNimm dieses Geld und treibe damit
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