Märchen aus 1001 Nacht
viele Aschrafis bekommen und dass eine Weihe sie geraubt haben sollte. Mein Weib glaubte jedoch völlig meiner Geschichte und weinte und schlug sich vor Kummer vor die Brust. So verstrichen sechs Monate, als es sich eines Tages traf, dass die beiden Freunde Saadi und Saad wieder in mein Viertel kamen und dass Saad zu Saadi sprach: âSieh, dort ist die StraÃe, wo Hassan der Seiler wohnt. Komm, lass uns zu ihm gehen und sehen, wie er seinen Vorrat vergröÃert und durch die zweihundert Aschrafis, die du ihm schenktest, seine Lage verbessert hat.â Saadi versetzte: âWohl gesprochen! Fürwahr, wir haben ihn seit langer Zeit nicht gesehen; ich möchte ihn gern besuchen und würde mich freuen zu hören, dass es ihm gut ergangen ist.â Hierauf schritten beide auf mein Haus zu, wobei Saad zu Saadi sagte: âFürwahr, ich bemerke, dass er noch ebenso arm und dürftig wie zuvor aussieht; er trägt alte und zerlumpte Kleider, nur dass der Turban etwas neuer und reiner aussieht. Sieh gut zu und überzeuge dich, ob es so ist, wie ich es sage.â Da trat Saadi näher an mich heran und gewahrte ebenfalls, dass meine Lage unverändert war. Alsdann redeten mich beide Freunde an und nach der üblichen BegrüÃung fragte Saad: âO Hassan, wie geht es dir und wie steht es mit deinem Geschäft? Haben dir die zweihundert Aschrafis Nutzen gebracht und dein Geschäft verbessert?â Ich versetzte auf seine Worte: âO meine Herren, wie kann ich euch von dem traurigen Missgeschick, das mich betroffen hat, erzählen? Ich wage vor Scham nicht zu reden, doch kann ich die Sache nicht verborgen halten. Fürwahr, eine wunderbare und seltsame Sache ist mir widerfahren, deren Erzählung euch mit Staunen und Verdacht erfüllen wird, denn ich weià sehr wohl, dass ihr es nicht glauben werdet und dass ich euch wie ein Lügner erscheinen muss. Trotzdem muss ich euch alles, so ungern ich es auch tue, erzählen.â Hierauf erzählte ich ihnen den ganzen Vorfall von Anfang bis Ende, vornehmlich aber, wie es mir mit der Weihe ergangen war. Saadi misstraute mir jedoch und sprach zweifelnd: âO Hassan, du sprichst nur im Scherz und willst uns etwas weismachen. Es fällt schwer, die Geschichte zu glauben, die du uns erzählst. Weihen pflegen nicht mit Turbanen fortzufliegen, sondern nur mit Dingen, die sie zu fressen vermögen. Du willst uns etwas vormachen und gehörst zu denen, die, sobald sich ihnen ein unvorhergesehener Glückszufall ereignet, sofort ihr Geschäft liegen lassen und alles in Freuden vergeuden, sodass sie zum zweiten Mal arm werden und hernach gezwungen sind, so gut es geht, ihr Leben weiterzuführen. Dies, scheint mir, ist besonders der Fall mit dir. du hast unsre Gabe so schnell wie möglich durchgebracht und bist nun so arm wie zuvor.â Ich versetzte: âO mein guter Herr, so verhält sichâs nicht. Diesen Tadel und diese harten Worte verdiene ich nicht, denn ich bin gänzlich frei von dem, was du mir unterschiebst. Der seltsame Unfall, von dem ich dir erzählte, ist die treueste Wahrheit. Zum Beweis dafür, dass ich nicht lüge, dient das ganze Stadtvolk, das davon weiÃ. Ich lüge dir wahrhaftig nichts vor; wohl ist es wahr, dass Weihen sonst nicht mit Turbanen fortfliegen, aber solche Unfälle, wunderbar und seltsam wie sie sind, mögen den Menschen, vornehmlich den unglücklichen, widerfahren.â Saad nahm sich ebenso meiner Sache an und sage: âO Saadi, wir haben oft gesehen und gehört, wie Weihen viele Sachen auÃer essbaren Dingen fortschleppen; seine Geschichte widerspricht nicht gänzlich der Vernunft.â Hierauf zog Saadi aus seiner Tasche einen Beutel voll Goldstücke, zählte davon zweihundert ab und gab sie mir mit den Worten: âHassan, nimm diese Aschrafis, sieh jedoch zu, dass du sie mit aller Sorgfalt und Vorsicht hütest und nimm dich ja in acht, dass du sie nicht wie die anderen verlierst. Gib sie in der Weise aus, dass du rechten Nutzen von ihnen ziehst und wie deine Nachbarn vorwärtskommst.â Ich nahm das Gold von ihm und überhäufte ihn mit Danksagungen und Segenswünschen und als sie ihres Weges gingen, kehrte ich zu meiner Seilerbahn zurück, von der ich zur rechten Zeit nach Hause ging. Da mein Weib und meine Kinder abwesend waren, nahm ich wieder zehn Goldstücke von den zweihundert und band den Rest in ein Stück Tuch. Dann
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