Märchen aus 1001 Nacht
âO Nachbar, wenn du dich von dem Stück Glas nicht für zwanzig Goldstücke zu trennen vermagst, so will ich dir fünfzig bieten.â An dieser ihrer Bereitwilligkeit, mit der sie den Preis von zwanzig auf fünfzig Goldstücke steigerte, erkannte ich, dass dieses Glas sicherlich hohen Wert hatte und schwieg. Als sie sah, dass ich noch immer still war, rief sie: âSo nimm hundert; dies ist sein voller Wert und ich weià nicht einmal, ob mein Gatte mit einem so hohen Preis einverstanden sein wird.â Ich versetzte: âO meine gute Frau, was sollen diese närrischen Worte; ich will es nicht billiger als für hunderttausend Goldstücke verkaufen und nur aus dem Grunde, dass du unsere Nachbarin bist, lasse ich es dir zu dem Preis.â Die Jüdin erhöhte ihr Angebot nach und nach bis zu fünfzigtausend Aschrafis, worauf sie sagte: âIch bitte dich, warte bis morgen und verkaufe es nicht eher, damit mein Mann herüberkommen und es sich besehen kann.â Ich antwortete: âSehr gern; lass deinen Gatten nur herkommen und es besehen.â
Am nächsten Tage kam der Jude zu meinem Haus und ich zeigte ihm den Diamanten, der in meiner Hand wie eine Lampe blitzte und leuchtete. Als er sich überzeugt hatte, dass alles, was ihm seine Frau von seinem Wasser und Glanz erzählt hatte, völlig der Wahrheit entsprach, nahm er den Stein in die Hand und ihn prüfend hin und her drehend, verwunderte er sich höchlichst über seine Schönheit und sagte: âMeine Frau bot dir fünfzigtausend Goldstücke dafür; ich will jedoch noch zwanzigtausend dazulegen.â Ich erwiderte: âdeine Frau hat dir sicherlich die Summe genannt, die ich festsetzte; ich verlangte hunderttausend Aschrafis und nicht weniger und ich lasse keinen Deut und Titel von diesem Preise ab.â Der Jude tat sein Möglichstes, den Stein für einen billigeren Preis zu kaufen, doch antwortete ich nur: âEs macht nichts aus; wenn du dich nicht mir einigen willst, so muss ich ihn einem anderen Juwelier verkaufen.â SchlieÃlich willigte er ein und bot mir zweitausend Goldstücke als Anzahlung dar, indem er sprach: âMorgen will ich dir den Betrag bringen und den Diamanten abholen.â Ich willigte hierin ein und so kam er am anderen Tage und wog mir die volle Summe von hunderttausend Aschrafis dar, die er unter seinen Freunden und Geschäftsteilhabern aufgebracht hatte. Dann gab ich ihm den Diamanten, der mir so auÃerordentlichen Reichtum eingebracht hatte und dankte ihm und pries Allah, den Erhabenen, für dieses unverhoffte groÃe Glück und hoffte, bald meine Freunde Saad und Saadi zu sehen und ihnen in gleicher Weise zu danken. Zuerst setzte ich mein Haus instand und gab meiner Frau Geld für die Hausbedürfnisse und Kleidung für sie und ihre Kinder; überdies kaufte ich mir eine prächtige Wohnung und richtete sie aufs Beste ein. Dann sagte ich zu meiner Frau, die an nichts als an prächtige Kleider und gutes Essen und ein Leben herrlich und in Freuden dachte: âEs geziemt uns nicht, dieses Handwerk aufzugeben; wir müssen etwas Geld beiseite legen und das Geschäft weiterführen.â Hierauf begab ich mich zu allen Seilern in der Stadt und kaufte für viel Geld mehrere Manufakturen, worauf ich sie in Betrieb setzte und über jeden Betrieb einen intelligenten und zuverlässigen Menschen als Aufseher setzte, sodass es jetzt in ganz Bagdad keinen Bezirk und kein Viertel gibt, in denen sich nicht Seilerbahnen und Werkstätten von mir befänden. Ferner besitze ich in jeder Stadt und jedem Distrikt vom Irak Niederlassungen, die alle unter der Obhut ehrlicher Aufseher stehen; und so kommt es, dass ich solchen groÃen Reichtum erworben habe. SchlieÃlich kaufte ich ein anderes Haus zu meinem eigenen Geschäftshaus, eine zerfallene Stätte mit einem daran stoÃenden, ziemlich ausgedehnten Gelände. An der Stelle des alten Hauses, das ich niederriss, erbaute ich das neue und geräumige Gebäude, auf das deine Hoheit gestern zu schauen geruhte. Dort sind alle meine Arbeitsleute untergebracht und ebenfalls werden dort meine Geschäftsbücher und Rechnungen geführt. AuÃer meinem Warenlager enthält es noch einfach eingerichtete Wohnzimmer für mich und meine Familie. Nach einiger Zeit verlieà ich mein altes Haus, in dem mich Saad und Saadi hatten arbeiten sehen und zog in das neue Haus um und
Weitere Kostenlose Bücher