Märchen aus 1001 Nacht
ein, indem er bei sich sprach: Zweifellos ist die Ermordung so vieler Leute dem Wali zu Ohren gekommen und Ali Baba ist festgenommen und vor Gericht geführt; sein Haus ist dem Boden gleichgemacht und sein Gut konfisziert. Das Stadtvolk muss sicher Kunde hiervon haben. Er fragte daher sofort den Pförtner des Chans: âWelche merkwürdigen Ereignisse sind während der letzten Tage in der Stadt vorgefallen?â Der Pförtner berichtete ihm alles, was er gesehen und gehört hatte, doch konnte der Hauptmann nicht das geringste von dem, was ihn am meisten anging, erfahren. Er ersah hieraus, dass Ali Baba vorsichtig und klug war, da er nicht nur so viele Schätze fortgeschafft, sondern auch so viele Menschenleben umgebracht hatte und mit heiler Haut davongekommen war; ja, er müsste selber scharf auf der Hut sein, um nicht in die Hände seines Feindes zu fallen und umzukommen. Hierauf mietete er sich einen Laden im Basar, in den er ganze Ballen der feinsten Stoffe und feine Waren aus dem Schatz im Dickicht schaffte. Dann setzte er sich in den Laden und begann zu handeln. Der Zufall wollte es aber, dass sich sein Laden gegenüber dem des verstorbenen Karim befand, wo nunmehr dessen Sohn, Ali Babas Neffe, Handel trieb. Der Hauptmann, der sich den Namen Chwadsche Hassan beigelegt hatte, schloss deshalb bald Bekanntschaft und Freundschaft mit den Ladeninhabern seiner Nachbarschaft und behandelte alle mit verschwenderischer Höflichkeit, vor allem aber war er gegen Karims Sohn, einem hübschen, wohl gekleideten Jüngling, voll ausgesuchtester Freundlichkeit und Herzlichkeit und saà häufig lange Zeit bei ihm und unterhielt sich mit ihm. Wenige Tage später traf es sich, dass Ali Baba, wie er es von Zeit zu Zeit tat, seinen Neffen besuchte und ihn im Laden sitzend antraf. Der Hauptmann erblickte ihn und erkannte ihn sofort und eines Morgens fragte er den Jüngling: âIch bitte dich, sag mir, wer es ist, der dich von Zeit zu Zeit in deinem Laden besucht.â Der Jüngling erwiderte: âEs ist mein Oheim, der Bruder meines Vaters.â Da behandelte ihn der Räuberhauptmann mit noch gröÃerer Freundlichkeit und Güte, um ihn desto leichter zu seinen Zwecken zu hintergehen und machte ihm Geschenke und lud ihn zu sich zu Tisch ein, ihn mit den auserlesensten Gerichten bewirtend. Da gedachte Ali Babas Neffe bei sich, es wäre nur recht und schicklich, den Kaufmann ebenfalls zum Abendessen einzuladen und da sein Haus klein und beengt war, sodass er keinen Glanz entfalten konnte, wie es der Chwadsche Hassan tat, besprach er mit seinem Oheim die Angelegenheit. Ali Baba erwiderte seinem Neffen: âdu hast recht; du musst deinen Freund in der besten Weise aufnehmen, wie er dich bewirtet hat. Morgen, am Freitag, schlieÃe wie alle angesehenen Kaufleute deinen Laden und führe nach dem Morgenimbiss den Chwadsche Hassan ins Freie. Beim Spazierengehen führe ihn dann unvermerkt hierher, während ich Mardschane inzwischen beauftrage, die feinsten Fleischgerichte und alles zu einem Fest Erforderliche herzurichten. Bemühe dich in keiner Weise, sondern vertraue die Sache meinen Händen an.â
Infolgedessen holte am anderen Tage, am Freitag, Ali Babas Neffe den Chwadsche Hassan zu einem Spaziergang im Garten ab und als sie zurück kehrten, führte er ihn in die StraÃe, in der sein Oheim wohnte. Als sie bei dem Haus angelangt waren, hielt der Jüngling an und sagte, indem er an die Tür pochte: âMein Oheim hat viel von dir und deiner Güte gegen mich vernommen und trägt groÃes Verlangen, dich zu sehen; solltest du einwilligen, einzutreten und ihn zu besuchen, so würde ich von Herzen froh und dir dankbar sein.â Wiewohl nun der Chwadsche Hassan in seinem Herzen frohlockte, auf solche Weise Zutritt ins Haus seines Feindes erlangt zu haben und nunmehr hoffte, bald sein Ziel durch Verrat zu erreichen, so zögerte er doch einzutreten und stand da, um sich zu entschuldigen und fortzugehen. Als aber die Tür von dem Pförtner geöffnet wurde, ergriff Ali Babas Neffe seinen Gefährten bei der Hand und führte ihn nach langem Zureden hinein, worauf er unter Zeichen von groÃer Freude über das hohe Glück und die Ehre eintrat. Der Hausherr empfing ihn mit gröÃter Freundlichkeit und fragte ihn nach seinem Befinden, indem er zu ihm sprach: âO mein Herr, ich bin dir zu Dank verpflichtet, dass du so freundlich zu meinem
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