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Märchen aus 1001 Nacht

Märchen aus 1001 Nacht

Titel: Märchen aus 1001 Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathias Lempertz GmbH
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zu mir: “Mein Vetter, ich habe eine wichtige Bitte an dich und ich möchte, dass du mich nicht hinderst in dem, was ich zu tun gedenke.” Ich erwiderte: “Mit größer Freude will ich dir zu Diensten sein.” Da ließ er mich die heiligsten Eide schwören und verließ mich zur selbigen Stunde; nachdem er eine kleine Weile fortgeblieben war, kehrte er zurück mit einer verschleierten Dame hinter sich, die von Wohlgerüchen duftete und die kostbarsten Seidenkleider trug. Er wandte sich zu mir, während die Dame hinter ihm stand und sagte: “Nimm diese Dame mit dir und gehe mir voraus zu dem und dem Totenacker!” Und er beschrieb ihn mir so, dass ich ihn kannte. Dann fuhr er fort: “Tritt mit ihr in das Grabgewölbe und warte dort auf mich!” Ich konnte mich ihm nicht widersetzen, noch ihm seine Bitte abschlagen wegen des Eides, den ich geschworen hatte. So nahm ich denn die Frau mit mir und ging fort, bis ich mit ihr in das Grabgewölbe eingetreten war; kaum hatten wir uns gesetzt, so kam meines Oheims Sohn mit einer Schale Wasser, einem Sack voll Mörtel und einer Axthacke. Mit der Axt in der Hand ging er zu dem Grabe in der Mitte des Gewölbes, brach es auf und legte die Steine auf die Seite des Gewölbes; dann begann er mit der Hacke in das Erdreich des Grabes zu graben, bis eine eherne Platte von der Größe einer kleinen Tür in der Erde bloßgelegt war; und als er sie aufhob, zeigte sich darunter eine Wendeltreppe. Da wandte er sich zu der Dame um und sprach zu ihr: “Jetzt triff deine letzte Wahl!”
    Da stieg die Dame jene Treppe hinunter. Er aber wandte sich zu mir mit den Worten: “O Sohn meines Oheims, um deine Güte vollkommen zu machen, so schließe, wenn ich hinabgestiegen bin, die Falltür und häufe das Erdreich darauf genauso, wie es zuvor auf der Tür war; und um deine Güte ganz zu vollenden, mische den ungelöschten Kalk, der in diesem Sack ist, mit dem Wasser, das in der Schale ist; dann verkleide das Grab, wie es früher war, mit einer Steinwandung, sodass niemand, der sie sieht, sage: Dies ist eine neue Öffnung, doch das Innere ist alt. Ein ganzes Jahr lang habe ich mich hier mit etwas abgemüht, davon nur Allah weiß. Dies ist meine Bitte an dich.” Und er fügte noch hinzu: “Möge Allah uns deiner nicht lange berauben, O Vetter!” Darauf stieg er die Treppe hinab. Als er nun meinen Blicken entschwunden war, schloss ich die Falltür wieder und tat, was er von mir gewünscht hatte, bis das Grab wieder war wie zuvor; während alledem aber war ich noch unter dem Einfluss des Weines und trunken. Darauf kehrte ich in den Palast meines Oheims zurück; doch mein Oheim war zur Jagd ausgeritten. Ich schlief jene Nacht hindurch; aber als der Morgen dämmerte, dachte ich an den Abend vorher und was an ihm mit meinem Vetter geschehen war. Und als die Reue nichts mehr fruchtete, da bereute ich, was ich zusammen mit ihm getan hatte. Und ich wollte mir einbilden, es sei nur ein Traum gewesen und begann nach dem Sohn meines Oheims zu fragen; aber niemand vermochte mir Auskunft zu geben. Dann ging ich hinaus zu den Gräbern auf dem Totenacker und suchte nach jenem Grabgewölbe, aber ich konnte es nicht wieder erkennen. Unaufhörlich wanderte ich von Gewölbe zu Gewölbe und von Grab zu Grab, bis die Nacht anbrach, ohne dass ich es gefunden hätte. Dann kehrte ich zum Schlosse zurück; doch konnte ich weder essen noch trinken, denn meine Gedanken waren immer bei meinem Vetter, da ich nicht wusste, was aus ihm geworden war; und ich war sehr um ihn besorgt. Dann legte ich mich nieder; aber ich verbrachte die Nacht in Kummer bis zum Morgen. Da ging ich wieder auf den Totenacker, grübelnd über das, was mein Vetter getan hatte und ich bereute, auf ihn gehört zu haben; und schon war ich wieder bei allen Gewölben umhergegangen, aber jenes Gewölbe und jenes Grab hatte ich nicht wieder erkannt. Wieder befiel mich Reue über alles; und in dieser Weise vergingen sieben Tage, ohne dass ich den Weg zum Grabe gefunden hätte. Dann überwältigten mich die trüben Gedanken, bis ich fast wahnsinnig wurde; und ich konnte mich nicht anders vor ihnen retten als dadurch, dass ich abreiste, um zu meinem Vater zurückzukehren. Aber in dem Augenblick, als ich bei der Hauptstadt meines Vaters ankam, erhob sich beim Stadttor eine Schar wider mich und fesselte mich.

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