Märchen aus 1001 Nacht
nimm eine Axt und einen Strick und schlage Brennholz in der Steppe, damit du dich ernähren kannst, bis Allah dir Errettung sendet; und sage niemandem, wer du bist, sonst wird man dich totschlagen.â Dann kaufte er mir eine Axt und einen Strick, brachte mich zu den Holzhackern und empfahl mich ihnen. So zog ich mit diesen hinaus und schlug Brennholz, den ganzen Tag hindurch und kam zurück mit meinem Bündel auf dem Kopfe. Das verkaufte ich um einen halben Dinar; für einen Teil davon besorgte ich mir mein Essen und den Rest legte ich beiseite. Mit solcher Arbeit verbrachte ich ein volles Jahr und als es zu Ende war, ging ich eines Tages wie gewöhnlich in die Steppe hinaus; und da ich meine Gefährten verlieÃ, kam ich an eine dicht bewachsene Niederung, in der viel Holz wuchs. Ich ging in die Niederung hinein und fand den Stamm eines dicken Baumes; da grub ich rings um ihn herum und schaffte das Erdreich weg. Plötzlich aber stieà die Axt auf einen kupfernen Ring. Den reinigte ich von der Erde und siehe, der Ring war an einer hölzernen Falltür befestigt. Die hob ich auf und erblickte darunter eine Treppe. Nun stieg ich hinab bis zum Fuà der Treppe und erblickte dort eine Tür. Durch die ging ich und sah ein Schloss, in schönstem Bau aufgeführt und mit ragenden Säulen verziert. Und drinnen fand ich eine Maid, gleich einer kostbaren Perle, die erlöste das Herz von Kummer und Gram und Leid; ihre Stimme heilte alles Bangen und nahm den Klugen und Weisen gefangen; ihr Wuchs war von zierlicher Art, fest standen die Brüste gepaart, ihre Wangen waren zart, von Farben glänzend rein und Haut so wunderbar fein; ihr Antlitz erstrahlte durch der Locken Nacht und über den herrlichen Schultern glitzerte ihrer Zähne Pracht. So wie der Dichter von ihresgleichen sagt:
Mit schwarzen Locken und mit schlankem Leibe,
Auf Dünen ragend wie ein Weidenzweig.
Und ein anderer:
Noch nie war viererlei vereint so wie bei ihr,
Für die ich all mein Herzblut gern vergieÃen würde:
Der helle Glanz der Stirne und der Locken Nacht,
Der Wangen Rosen und des Leibes schlanke Zierde.
Als ich sie erblickte, warf ich mich nieder in Anbetung vor ihrem Schöpfer, weil er sie in solcher Schönheit und Anmut gebildet hatte; und sie schaute mich an und sagte: âBist du ein Mensch oder einer aus der Geisterwelt?â âIch bin ein Menschâ, erwiderte ich. Da fragte sie: âWer führte dich an diesen Ort, an dem ich seit fünfundzwanzig Jahren lebe, ohne je einen Menschen gesehen zu haben?â Ich fand ihre Stimme wundersüà und sie drang mir tief bis ins innerste Herz und so sprach ich: âO meine Herrin, mich führten meine Glückssterne, um mir Sorge und Gram zu vertreiben.â Und ich erzählte ihr, was mir widerfahren war, von Anfang bis zu Ende und mein Geschick stimmte sie traurig. Sie weinte und sprach: âSo will auch ich dir meine Geschichte erzählen. Ich bin die Tochter des Königs Ifitamüs, des Herrn der Ebenholzinseln. Er hatte mich mit meinem Vetter vermählt; aber in meiner Hochzeitsnacht ergriff mich ein Dämon namens Dschardscharis ibn Radschmüs, der Sohn der Mutterschwester des Iblis, des Teufels und er flog mit mir davon und setzte mich nieder an dieser Stätte und brachte hierher alles, was ich brauchte: Seidengewänder, Schmucksachen, feines Linnen, Vorräte an Speise und Trank und vieles andere. Alle zehn Tage kommt er einmal zu mir und schläft eine Nacht hier; dann geht er wieder seines Weges. Er hat mich nämlich ohne die Einwilligung der Seinen genommen; und er hat mit mir vereinbart, wenn ich je etwas nötig habe, bei Tag oder bei Nacht, so solle ich nur mit der Hand über jene zwei Zeilen streichen, die dort über der Nische eingegraben sind und noch ehe ich die Finger wieder höbe, würde ich ihn bei mir sehen. Vier Tage sind jetzt verstrichen, seit er hier war; und da es noch sechs Tage sind, bis er kommt, so sage, willst du fünf Tage bei mir bleiben und am Tage vor seiner Ankunft davongehen?â Ich antwortete: âJa, wie gern! Wenn die Träume zur Wahrheit werden.â Da freute sie sich und sprang auf und fasste mich bei meiner Hand, führte mich durch einen Torbogen und trat mit mir in ein schönes, prächtigesÂ
Bad. Als ich das sah, legte ich die Kleider ab. Und auch sie legte ihre Kleider ab, ging ins Bad, kam wieder heraus und setzte sich auf einen Diwan.
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