Märchen aus 1001 Nacht
Verse:
Vereinet uns die Nähe nach der Trennung wieder,
So lächelt das Antlitz der Zeit, nachdem es in Runzeln hing.
Und werden durch einen Blick von dir meine Augen geschmücket,
Verzeih ich der Zeit die Sünden, die sie an mir beging.
Und ich sprach noch diese Verse:
Als sie zum Abschied nahte, das arme Herz so erfüllet
Von tiefer Sehnsucht und zugleich von wildem Leide,
Weinte sie klare Perlen und aus meinen Augen strömten Diamanten;
auf ihrer Brust vereinten sie sich zum Geschmeide.
Als ich sie weinen sah, sprach ich: âBei Allah, nie und nimmer will ich jene Tür öffnen!â und ich nahm Abschied von ihr. Sie alle gingen hinaus und dann flogen sie davon; ich aber blieb allein in dem Palast. Als nun der Abend nahte, öffnete ich die Tür des ersten Zimmers und ich trat ein und sah mich in einem Raum, der dem Paradiese glich. Darinnen war ein Garten, in dem so vielerlei Arten von grünen Bäumen standen, auf denen ganz zarte und reife Früchte sich fanden; die kleinen Vöglein sangen und die reinen Bächlein sprangen. Dessen erfreute sich mein Gemüt und ich schritt zwischen der Bäume Reihn, ich sog den Duft der Blumen ein und hörte den Gesang der Vögelein, wie sie Ihn priesen, der da allmächtig ist allein; auch sah ich die Farbe der Ãpfel von rotgelbem Schein; so wie der Dichter sagt:
Ein Apfel, der in sich vereint zwei Farben, die da gleichen
Der Wange der Geliebten und dem schüchternen Sehnsuchtsreichen.
Dann sah ich die Quitten und atmete ihren Duft ein, der Moschus und Ambra beschämt, wie der Dichter sagt:
Die Quitte vereint in sich die Freuden der Menschen; sie ist
Die Königin der Früchte ob ihrer Schönheit Gewalt:
Wie Wein ihr Geschmack und wie eine Moschuswolke ihr Duft,
Wie Gold ihre Farbe und rund wie der Vollmond ihre Gestalt.
Dann sah ich noch Aprikosen vor mir, deren Schönheit das Auge entzückte wie geglätteter Saphir. Darauf verlieà ich jenen Ort und verschloss die Tür des Zimmers, so wie sie zuvor gewesen war. Am nächsten Tage öffnete ich ein anderes Zimmer und trat hinein. Darinnen war ein weites Land, in dem ein hoher Palmenhain stand; dort rieselte ein Bächlein frisch, sein Ufer bedeckt mit Gebüsch von Rosen und Jasminen, Majoran und Eglantinen, Narzissen und Levkojen.
Ein Windhauch strich über alle die duftenden Blumen dahin und jener herrliche Wohlgeruch verbreitete sich nach rechts und nach links; das erfüllte mich mit vollkommener Freude. Darauf verlieà ich jenen Ort und verschloss die Tür des Zimmers, wie sie zuvor gewesen war. Dann öffnete ich die Tür des dritten Zimmers und sah in ihm eine weite Halle, deren Boden belegt war mit buntem Marmor und vielerlei kostbaren und prächtigen Steinplatten; dort waren Käfige aus Sandei- und Aloeholz, voll von Singvögeln, Nachtigallen, Ringeltauben, Amseln, Kanarien und nubischen Sängern. Darüber wurde mein Herz froh und meine Sorgen wurden gelöst; und ich schlief an jenem Orte bis zum Morgen. Dann öffnete ich die Tür des vierten Zimmers. Darin fand ich einen groÃen Saal und rings um ihn waren vierzig Kammern, deren Türen offen standen. In die trat ich ein und dort sah ich Perlen, Saphire, Topase, Smaragde und so kostbare Edelsteine, wie sie keine Zunge beschreiben kann. Da wurde mein Verstand entrückt durch diesen Anblick und ich sagte zu mir: âDiese Dinge, deucht mich, finden sich nicht einmal in der Schatzkammer eines wirklichen Königs.â Damals wurde mein Sinn froh und meine Sorgen schwanden und ich sprach: âJetzt bin ich der gröÃte König meiner Zeit, da mir durch Allahs Gnade alle diese Schätze zuteil wurden; und ich gebiete über vierzig Mädchen, die keinen anderen Herrn haben als mich.â Nun sah ich mir immerfort ein Zimmer nach dem anderen an, bis neununddreiÃig Tage vergangen waren. In dieser Zeit hatte ich alle Zimmer geöffnet auÃer dem einen Zimmer, dessen Tür zu öffnen mir die Prinzessinnen verboten hatten. Doch, O meine Herrin, mein Sinn dachte immer an jenes Zimmer, das die Vierzig voll machte und Satan wollte zu meinem Verderben mich zwingen, dass ich es öffnete. So hatte ich keine Geduld mehr, um mich zu bezwingen, obgleich nur noch ein einziger Tag übrig blieb, bis die Zeit erfüllt war. Da ging ich denn zu jenem Zimmer, öffnete die Tür und trat ein. Darin war ein so starker Duft, wie ich ihn noch nie
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