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Maerchen aus Malula

Titel: Maerchen aus Malula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Schweiß von der Stirn.
    »Nimm den Kasten von der Schulter, daß wir sehen, ob du wirklich den ganzen Tag deine Frau auf dem Rücken tragen kannst«, erwiderte der Sultan. Der Bauer ließ den Kasten von seinem Rücken herunter und öffnete ihn; da fanden sie die Frau mit ihrem Liebhaber im Kasten. Die beiden sprangen heraus und suchten das Weite. Der Bauer schrie laut auf und wollte hinter den beiden herlaufen, doch der Sultan hielt ihn fest und versuchte ihn zu beruhigen. Die beiden Liebenden waren inzwischen im nahen Wald verschwunden.
    »Laßt uns zu unseren Frauen zurückgehen. Sie sind nicht schlechter als die anderen«, rief der Sultan.
    »Zurück in die Stadt will ich, aber nie wieder zu den Weibern«, antwortete der Richter.
    Blumer aber atmete erleichtert auf und eilte nach Hause. Er entschuldigte sich bei seiner Frau für all die vergangenen Jahre und liebkoste sie vom Nachmittag bis zur Morgendämmerung.

 
    DAS STILLE WASSER
    oder
    WIE DER SIEGER
    ZUM VERLIERER WIRD
     
    So vieles geschah auf unserer Erde in vergangenen Zeiten, Völkerscharen lösten einander ab und zerfielen zu Staub, und von ihren Taten blieben nur die Geschichten, unsterblich wie die Sonne.
    Einst saß ein Sultan mit seinem klügsten Wesir zusammen beim Schachspiel. Der Sultan ärgerte sich über seinen Minister, weil dieser ihm an jenem Tag im Schachspiel überlegen war. Er nahm eine Schale, füllte sie mit Wasser und stellte sie aufs Feuer. Als nun das Wasser zu sieden anfing, fragte der Sultan seinen Wesir: »Was sagt das Wasser, wenn es siedet, Neunmalklug?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete der Wesir verwirrt.
    »Du solltest es aber wissen. Was flüstert also das Wasser?«
    »O Herr«, erwiderte der Wesir, »woher sollte ich wissen, was es sagt?«
    »Einerlei«, gab der Sultan zurück, »gib dir Mühe, und wenn du mir in drei Tagen nicht berichten kannst, was das Wasser sagt, so lasse ich dir den Kopf abschlagen.«
    Der Wesir eilte zu den Philosophen und Dichtern der Hauptstadt, doch auch sie wußten keine Antwort. Der Meister der Gelehrten begleitete den traurigen Wesir bis zur Tür. »Exzellenz«, sprach er leise beim Abschied, »wenn ein Schälchen Wasser imstande wäre, auch nur einen Buchstaben zu sprechen, welche Bücher würden das Plätschern der Bäche, die feurigen und sanften Reden der Flüsse und die Wellenlieder der Meere füllen.« Doch auch mit dieser weisen Antwort wollte der Wesir nicht zurückkehren.
    Am nächsten Tag ritt er zu einem Mönch, der seit über vierzig Jahren zurückgezogen auf dem Gipfel eines hohen Berges lebte, um über das Leben nachzudenken. Als der Mönch das Rätsel hörte, dachte er lange nach, schloß die Augen und versank in tiefes Schweigen, bis er in Schlaf fiel und leise vor sich hin schnarchte. Doch als der Minister ihn aufweckte, wußte der erschrockene Einsiedler auch nicht, was das Wasser spricht.
    Langsam und ohne Hoffnung ritt der Wesir zurück.Auf dem Weg zur Hauptstadt beschloß er, bei einem Beduinenstamm eine kleine Rast einzulegen. Der Scheich sah den grübelnden Wesir an. »Was ist mit dir, Gast?« fragte er höflich.
    »Mir ist eine schwere Bürde auferlegt worden«, erwiderte der Wesir und erzählte dem Scheich von seiner Ratlosigkeit, das Rätsel des Sultans zu lösen. »Das ist leicht«, überraschte der Scheich seinen Gast, »sei guten Mutes und vergnüge dich am Essen. Ich habe in meinem Stamm eine gescheite Frau, die wird dein Rätsel lösen können. Aber nun greif erst einmal zu«, fügte der Scheich hinzu. Doch der Wesir wollte kein Stück Brot anrühren, bevor die Frau das Rätsel nicht gelöst hätte. So ließ der Scheich sie rufen. Die Frau hörte sich das Rätsel aufmerksam an, dann sagte sie mit leiser Stimme: »Das Wasser in der Schale klagte: Recht geschieht mir, das Leid entsteht aus mir selbst; im Tale floß ich, und dieses Holz, welches von mir trank, verbrennt mich nun mit seinem Feuer.« Der Wesir klatschte begeistert in die Hände, dann aß und trank er bis tief in die Nacht hinein.
    Am anderen Morgen brach der Wesir auf und begab sich eiligst zum Sultan. »Nun, bringst du die Antwort?« fragte dieser barsch.
    »Ich bringe sie«, versetzte der Wesir den Sultan in Staunen.
    »So laß mich sie hören«, befahl der Sultan.
    Als der Wesir die Lösung aussprach, strahlte der Herrscher. Er verlangte von seinem Wesir, er solleihm verraten, wer diese weise Antwort gegeben habe. Der Wesir nannte die Frau, und kurze Zeit später machten sich die beiden auf

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