Maerchen aus Malula
dort. Plötzlich klopfte es an die Tür, der Liebhaber wollte durch den Garten fliehen, doch die Frau herrschte ihn an: »Heute bleibst du da. Ich werde diesem Klugscheißer eine Lehre erteilen. Zittere nicht, es wird alles gutgehen.«
»Mein Gott, jetzt wird es Mord und Totschlag geben«, flüsterte der Richter, als die Frau festen Schrittes zur Tür ging.
»Ich habe Hunger«, rief ihr Mann, »und da ich wußte, daß du mich nicht erwartest, habe ich auf dem Weg hierher fünf Fladenbrote, Sesamöl und Traubensirup gekauft. Du hast mich nicht erwartet, habe ich recht?«
»Ja, du hast recht. Erstaunlich, wie du immer alles weißt!« höhnte seine Frau.
»Klug muß der Mensch sein! Weib, mach mal Licht in der Küche, damit wir dort essen können.«
»Wir haben seit Tagen kein Öl mehr. Wozu auch diesen widerlichen Geruch? Wir können im Dunkeln essen und den Mond anschauen«, erwiderte seine Frau.Der Mann setzte sich hin, und die Frau brachte zwei Teller, in die sie Sesamöl und Sirup füllte. Die Küche lag gegenüber dem Holzstall, und als der Richter hustete, schaute der Ehemann sich um. »Wer hustet dort im Holzstall, Frau?« fragte er.
»Drei Derwische«, antwortete sie.
»Ja, ich weiß«, erwiderte er. »Derwische mögen gern im Holzstall schlafen.« Und dann begannen sie zu essen. Der Mann, seine Frau und ihr Liebhaber, der immer noch in der Küche weilte. Ihr Mann aß zwei Brote und sie eins. Als ihr Mann abermals nach den Broten griff, fand er nur noch einen Fladen.
»Wie viele Brote hast du gegessen, Frau?«
»Ich habe eins gegessen.«
»Und ich habe zwei gegessen. Geblieben ist eins, das macht vier. Kannst du mir folgen, Frau? Wo ist das fünfte Brot?«
»Der Bäcker hat dich reingelegt und vier statt fünf eingepackt«, antwortete sie ruhig.
»Frau, ich bin der Klügste in dieser Stadt. Ich lege die Damaszener Händler herein, und ein lausiger Bäcker soll mich betrogen haben? Du kennst deinen Mann nicht. Die Händler von Beirut gehen bei mir in die Schule und die von Kairo schließen die Läden, wenn sie hören, ich sei in der Stadt angekommen, und die Händler von Bagdad …«
»Ist ja gut. Es war nur eine Idee.« In diesem Augenblick fiel der Mondschein durch ein kleines Fenster auf die Stelle, wo sie aßen, und der Mann betrachtetedie Schüssel; da sah er, daß außer seiner Hand und der seiner Frau noch eine dritte Hand da war, die in die Schüssel langte. »Du hast ja jemanden bei dir, der mitißt, und behauptest, der Bäcker habe mich betrogen!«
»Ich soll einen Mann bei mir haben?« verwunderte sich die Frau. »Du hast ihn mitgebracht. Er war im Sesamölbehälter, den du gekauft hast.« Da faßte der Ehemann den Liebhaber bei der Hand. »Ich werde den Krämer fragen, und wehe dir, Weib, wenn du mich belogen hast.« Er ging mit dem Liebhaber zum Krämer. »Ich habe bei dir Sirup und Sesamöl gekauft. Warum hast du mir diesen Mann in das Sesamöl getan? Du wolltest damit den Behälter schwerer machen, nicht wahr? Nicht mit mir!« protestierte er. Der Krämer bemerkte gleich, daß der Angeber von seiner Frau hereingelegt worden war. Er erhob seine Hand, gab dem Liebhaber eine Ohrfeige und tadelte ihn: »Du verfluchter Kerl, ich setze dich in den Sesamöltopf, damit du das Öl rührst. Ich bezahle dir deinen Lohn, damit mein Sesamöl nicht klumpt, und du haust immer wieder ab.« Er wandte sich dem Ehemann zu: »Nimm es mir nicht übel, lieber Mann, ich wollte dich nicht betrügen, aber dieser Halunke schmuggelt sich immer wieder fort.« Als Zeichen seiner Güte gab er dem wartenden Kunden zwei Löffel Sesamöl umsonst. »Paß nächstens besser auf, sonst verdirbt er dir noch das Geschäft«, rief der Ehemann und eilte mit der kleinen Schale nach Hause. Dortangekommen, pries er seine Klugheit bis zur Morgendämmerung.
Am Morgen brachen die drei Derwische auf und verließen diesen Ort. Als sie ihres Weges zogen, erblickten sie einen Bauern, der sein Feld pflügte. Er trug dabei einen großen Kasten auf dem Rücken. Da staunte der Sultan: »Warum trägt dieser Bauer einen solch schweren Kasten auf dem Rücken? Laßt uns ihn fragen.« Sie gingen zu ihm und fragten nach dem Grund. »Ich bin erst seit einem Monat verheiratet, und aus Furcht, daß jemand zu meiner wunderschönen Frau gehen könnte, setze ich sie jeden Morgen in diesen Kasten und nehme sie mit.«
»Bist du sicher, daß sie im Kasten ist?« fragte der Richter.
»Natürlich bin ich sicher!« rief der Bauer und wischte sich den
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