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Maerchen aus Malula

Titel: Maerchen aus Malula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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hin, nahm das Maul voll Wasser und spuckte ihr ins Gesicht. Die Königin schrie entsetzt auf, König Habib lachte, doch sein Wesir beeilte sich, das Gesicht der Königin mit einem Tuch zu trocknen. Er saß aber noch nicht wieder richtig, als der Fisch auf ihn zuschwamm und ihn ebenfalls bespuckte. »Unverschämt!« rief der Wesir erbost. »Ist dieser verfluchte Fisch das zauberhafte Geschenk, das du unszeigen wolltest?« Doch König Habib lachte nur ganz vergnügt.
    »Das lasse ich mir nicht bieten. Schicke nach diesem unerzogenen Mädchen, das dir den Fisch gebracht hat«, rief die Königin verärgert. Als ein Gesandter Samira darum bat, zum König zu kommen, sagte ihr Vater: »Vielleicht will er seinen schönen Ring zurückhaben.« Samira eilte zum Palast.
    »Nimm dich in acht, Mädchen!« fuhr die Königin sie an. »Erkläre mir, warum der Fisch ausgerechnet mir und dem Wesir Rotatkid ins Gesicht gespuckt hat!«
    »Ich will es dir erklären«, erwiderte Samira, »aber du wirst es bereuen, wie der Jäger es bereute, als er um seinen Falken trauerte.«
    »Und was ist geschehen, daß der Jäger seinen Falken beweinte?« fragte die Königin.
    »Es war einmal«, fing Samira an, »ein Jäger, der mit seinem Falken in der Steppe jagte. Gegen Nachmittag wurde er durstig und konnte kein Wasser entdecken. Nach langer Suche und halb verdurstet fand er endlich eine Höhle. Er ging hinein, in der Hoffnung, etwas Wasser zu finden. Dort sah er, daß von der Höhlendecke Wasser heruntertröpfelte. Nur wenige Tropfen von Zeit zu Zeit. So stellte er seinen Trinkbecher an die Stelle, um etwas Wasser zu sammeln. Als der Becher halbvoll war, nahm er ihn, um seinen Durst zu stillen. Da flog sein Falke gegen den Becher und verschüttete das Wasser. Wutentbrannt packte der Jäger seinen Falken und drehte ihm den Hals um.Dann blickte er zur Decke der Höhle empor, um die Stelle genauer zu betrachten, aus der das Wasser kam; da erblickte er eine große Schlange, die aus ihrem Maul Gift tropfen ließ. Nun erkannte der Jäger, daß der Falke sein Leben gerettet hatte, und bereute seine Tat bis zum Ende seines Lebens.
    Ich will dir erklären, warum der Fisch dir und dem Wesir ins Gesicht spuckte, doch du wirst es bereuen.«
    »Dummes Zeug!« rief Rotatkid. »Und ich? Werde auch ich es bereuen, weil dieses Miststück mir ins Gesicht spuckte?« fragte er und lachte.
    »Ja, auch du wirst es bereuen«, antwortete Samira.
    »Sprich schon!« zürnte der Wesir.
    »Wenn die Nacht dich nicht anderen Sinnes werden läßt, so schicke nach mir, dann will ich es dir erklären«, antwortete Samira und eilte nach Hause.
    »Es war eigentlich ein trauriges Märchen«, sprach König Habib, »doch das Mädchen übertreibt etwas. Vielleicht war es ein Zufall, daß der Fisch etwas Wasser in eure Richtung spritzte«, fügte er hinzu und ging in sein Arbeitszimmer.
    Am nächsten Morgen lud König Habib seinen Wesir zum Frühstück am Teich ein. Als dieser aber das erste Stück Brot in den Mund stecken wollte, spuckte der Fisch vom Rand des Teiches aus und traf ihn mitten in seinen offenen Mund. Die Königin, die mit dem Rücken zum Teich saß, schrie laut auf und drehte sich um, doch in diesem Augenblick traf auch sie dasWasser aus dem Maul des Fisches. »Er ist verhext!« schrie der Wesir. »Er will uns nur lächerlich machen«, brüllte er und drehte sich zum lachenden König. »Und du lachst? Hole lieber das Mädchen!«
    »Du wolltest heute erklären, warum der Fisch uns ins Gesicht spuckt. Nun, ich höre«, herrschte der Wesir Rotatkid das herbeigerufene Mädchen an.
    »Ich will es dir erklären, aber du wirst es bereuen, wie der Schmied bereute, als es ihm um seinen Schatz leid tat«, erwiderte Samira.
    »Heraus damit!« rief der Wesir. »Wie war das mit dem Schmied und seinem Schatz?«
    »Es war einmal«, erzählte das Mädchen, »ein geiziger Schmied, der sich selbst nichts versagte, seiner Familie und seinen Freunden aber nichts gönnte. Tag für Tag schlemmte er sich heimlich den Bauch voll, aber wenn er nach Hause kam, nahm er nur ein paar Bohnen vom Teller seiner Frau und seiner Kinder und lobte die Tugend der Enthaltsamkeit. ›Hast du den ganzen Tag nichts gegessen und jetzt, nach so viel Arbeit, nimmst du nur drei Bohnen?‹ fragte seine Frau ihn mitleidsvoll.
    ›Gier ist Sünde, Frau‹, rief er, und seine Frau schämte sich. Seine Schmiede brachte ihm genug Geld ein, doch er spendete den Bettlern nicht einmal die Knochen der Hammelkeulen,

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