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Maerchen aus Malula

Titel: Maerchen aus Malula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Bratgänse und Enten, die er Tag für Tag allein zu Mittag aß.
    Eines Tages ließ er sich eine gebratene Gans bringen, setzte sich hin, riß ein Bein heraus und verschlang esgierig. Als er den Knochen auf den Boden warf, öffnete sich plötzlich die Erde. Ein Mann kam heraus und trat zu ihm. ›Komm hierher und schaue dir diesen Schatz an!‹ befahl er. Der Schmied schaute durch den Spalt der Erde und sah eine Gruft voller Goldmünzen. Er rieb seine Augen, doch der Schatz war kein Traum. Er beugte sich tiefer zur Erdhöhle, um nach den Münzen zu greifen. ›Halt!‹ rief der Dämon. ›Die Gans, die du heute ißt, ist eine besondere, nur alle tausend Jahre schlüpft eine solche aus einem Ei. Ich muß sie essen, und du darfst dafür das ganze Gold haben. Aber wenn du willst, gebe ich dir statt dessen den zweiten Schatz‹, sprach der Geist.
    ›Und was wäre der zweite?‹ fragte der Schmied mißtrauisch. Der Dämon schlug mit der Hand auf die Erde. Sie schloß sich, und im Nu öffnete sie sich wieder, und in der Gruft lagen drei Kisten voller Juwelen.
    ›Überlege es dir nicht lange, Mann! Ich muß die Gans essen. Für dich ist sie gewöhnliches Fleisch, doch wenn ein Dämon wie ich sie ißt, wird er das Reich der Unterwelt für die nächsten tausend Jahre beherrschen. Du kannst nun die Juwelen oder einen dritten Schatz haben. Nur, du mußt mir die Gans freiwillig schenken, so steht es in unseren Büchern.‹ Der Schmied dachte kurz nach: Wenn der erste Schatz Gold war und der zweite Juwelen, wie herrlich würde dann der dritte Schatz sein?
    ›Nein, ich möchte lieber den dritten Schatz haben und schenke dir die Gans von ganzem Herzen‹,heuchelte er den Großzügigen. Der Dämon verschlang schnell die Gans und fing an, den Schmied zu prügeln. ›Was machst du mit mir?‹ schrie dieser entsetzt. ›Tut mir leid. Das ist der dritte Schatz: hundertundelf Hiebe fürs Leben, so steht es in den Büchern. Tut mir leid, du hast es so gewollt. Nun mußt du den Schatz bis zum letzten Hieb bekommen, sonst stirbst du auf der Stelle‹, rief der Dämon und schlug den Schmied, bis dieser in Ohnmacht fiel. Als er zu sich kam, bereute er es sehr, und so wirst du, o Wesir, es bereuen, wenn ich dir erkläre, warum der Fisch dich und die Königin bespuckt hat.«
    »Unsinn, erkläre es jetzt«, zürnte die Königin.
    »Laß die Nacht noch einmal den Morgen gebären, und wenn du es dir nicht anders überlegt hast und immer noch den Grund wissen willst, dann erzähle ich es dir morgen.«
    Am nächsten Tag ließ die Königin nach dem Mädchen schicken. Samira ließ den Gesandten der Königin mitteilen, sie würde heute den wahren Grund erzählen, sie käme zum Mittagessen. Als sie kam, war das Mittagessen schon aufgetischt. »Was willst du, o Königin?« fragte das Mädchen und schaute dabei den König voller Sorge an.
    »Du sollst mir sagen, warum der Fisch mir ins Gesicht gespuckt hat«, erwiderte die Königin.
    »Ich will es dir sagen, aber der König darf weder trinken noch essen, bis ich erzählt habe, und du wirst es bereuen, wie es der Sänger bereute.«
    »Und was hat der Sänger bereut?« wollte der anwesende Wesir wissen. Der König versprach, nichts von den Speisen anzufassen, bis die Geschichte zu Ende sei.
    »Es war einmal ein armer Sänger, der seine Familie kaum ernähren konnte. Eines Tages stieg er auf sein Dach und sang laut von seinem Kummer. Die Nachbarn lachten über ihn. Doch plötzlich kam ein Vogel, hieß ihn auf seinen Rücken steigen und flog mit ihm davon. Nach einer kurzen Weile erreichte der Vogel einen Garten von bezaubernder Schönheit. Der Sänger wanderte im Garten umher und genoß zum ersten Mal Früchte, von denen er bisher nur geträumt hatte. Da entdeckte er eine Gartenlaube, in der fünf Frauen ihn in Empfang nahmen. Sie badeten ihn, legten ihm seidene Kleider an und betteten ihn auf Straußenfedern.
    ›Wir haben deine Stimme schon immer geliebt, und es hat uns traurig gestimmt, daß deine Nachbarn dich auslachten. Sie sind undankbare Barbaren. Hier kannst du in Frieden leben und für uns singen‹, sprach die älteste der fünf Frauen.
    ›Und wer seid ihr?‹ fragte der Mann.
    ›Wir sind die fünf Gesangfeen‹, antworteten sie wie im Chor. Und der Mann begann zu singen, eine der Feen spielte Laute, eine andere Zither, die dritte Flöte, die vierte Tamburin, und die jüngste und schönste tanzte. So vergingen die Stunden, und als der Sänger Durst und Hunger bekam, zauberten ihm dieFeen die

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