Maerchen aus Malula
wollte dem Rat seiner Mutter folgen, doch seine Braut wollte mit ihm ihr Verlangen stillen. Sie verführte ihn, aber mitten in ihrem Vergnügen wurden sie durch die Stimme der Mutter erschreckt. »Mein armes Herzchen. Die Frau wird dir noch die letzte Kraft aussaugen. Jetzt ist es genug, sonst komme ich und lege mich zwischen euch.« Durch diese Worte verging beiden jede Lust. Die Braut lag verärgert im Bett und konnte nicht schlafen. Ihr Mann hingegen schnarchte nach einer kurzen Weile. Alsbald hörte sie auch das Schnarchen der Mutter.
Am nächsten Morgen wachte die Schwiegertochter früh auf, bereitete ein Frühstück und weckte ihren Ehemann, die Schwiegermutter und ihren achtzehnjährigen Schwager. Als sie sich aber zu ihnen setzen wollte, rief ihre Schwiegermutter: »Nein, hier frühstücken nur ich und meine Kinder.«
»Und ich?« fragte die Schwiegertochter und blickte ihren Mann hilfesuchend an.
»Schwiegertochter! Was gebrochen ist, darfst du nicht essen und was ganz ist, darfst du nicht brechen; aberiß nur, bis du satt bist«, antwortete die Witwe. Die Schwiegertochter rannte zurück in ihr Zimmer und heulte, bis ihr Mann zu ihr kam. »Sei doch nicht so empfindlich. Sie ist nun mal die Herrin des Hauses.«
»Und wovon soll ich leben?« schrie sie ihn an.
»Es gibt Wichtigeres als Essen und Trinken«, erwiderte der Mann und kehrte zu seiner Mutter zurück.
So mußte die arme Schwiegertochter heimlich von den Resten essen, denn die Witwe zählte die Tomaten, Eier und Zwiebeln, und wenn etwas fehlte, schlug sie erbarmungslos auf ihre Schwiegertochter ein. Das Brot schloß sie in einem großen Kasten ein, und den Schlüssel dazu trug sie an einer Kette um ihren Hals, nicht einmal die Söhne durften ihn anfassen. In den Vorratskeller und in den Obstgarten durfte die junge Frau nicht gehen. Als ihre Eltern sie besuchten, weinte sie bitter über ihr Elend und wollte mit ihnen fort, doch die trösteten ihre Tochter. »Sei doch froh, daß du diesen Kaufmann heiraten durftest«, sagte ihr Vater beim Abschied. Doch die Tochter war weit entfernt von jeder Freude, sie ertrug ein Jahr lang demütig ihr hartes Los. Die Schwiegermutter ermahnte sie ständig, nicht verschwenderisch zu sein. Der Sohn brachte sein Geld Tag für Tag der Mutter, seiner Frau aber gab er nur tröstende Worte.
Im nächsten Jahr wünschte die Mutter, daß der zweite Sohn eine noch sparsamere Frau heiraten solle. »Ihre Eltern kommen jeden Monat einmal. Das ist Verschwendung«, beschwerte sie sich überdie erste Schwiegertochter und suchte so lange, bis sie eine junge Frau fand, deren Eltern bereits gestorben waren.
Die Braut hieß Aida. Die Witwe wies den beiden Neuvermählten ein Zimmer in ihrem Haus zu, so, daß ihr Gemach nun zwischen den Kammern ihrer Söhne lag. Als Aida das Zimmer betrat und das Loch sah, warf sie ihr Hochzeitskleid ab und tanzte vor den Augen der Mutter. »Herzchen, erfülle schnell deine Pflicht!« rief die Mutter verärgert. »Deine Hochzeit hat mich ermüdet.« Doch Aida erwiderte: »Erst wenn ich müde werde, darf er mich nehmen«, und sie tanzte so lange, bis der Ehemann im Bett und seine Mutter hinter dem Loch eingeschlafen waren. Nun schlich Aida hinaus, mischte einen Haufen Erde mit Wasser, setzte dem Mörtel Gips und Asche hinzu und kehrte im Dunkeln zurück. Sie vergipste das Loch und stürzte sich auf den schlafenden Sohn, und sie liebten sich bis zur Morgendämmerung.
Als die Mutter aufstand, fluchte sie über Aida und klopfte die frisch vergipste Öffnung mit einem Stock wieder frei. »Das Loch bleibt offen, ich muß den Geruch meiner Söhne riechen, sonst bekomme ich Alpträume«, sagte sie und ging in die Küche, wo die andere Schwiegertochter das Frühstück schon vorbereitet und sich in eine ferne Ecke gesetzt hatte.
Aida kam etwas verspätet und wollte sich zu Tisch setzen, da rief die Witwe: »Meine süße Schwiegertochter, was ganz ist, darfst du nicht brechen und wasgebrochen ist, darfst du nicht essen; aber iß nur, bis du satt bist.« Sie wandte sich zur anderen Schwiegertochter. »Du bist bei uns immer satt geworden, nicht wahr, meine Taube?« Die blasse Schwiegertochter nickte mutlos.
»Gesagt, getan!« rief Aida, nahm ein großes Stück Frischkäse und verschlang es restlos.
»Was machst du, du ungezogenes Ding?« entsetzte sich die Schwiegermutter.
»Wie du befohlen hast. Ich habe den Käse ganz verschlungen und kein Krümmelchen davon übriggelassen«, antwortete Aida. Die Söhne
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