Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre
sollst unversehrt nach Hause zurückkehren, wenn du mir drei Wahrheiten sagen kannst.“
Einen Augenblick nur dachte die kleine Antilope nach.
„Wenn ich gewußt hätte, daß du hier bist, wäre ich niemals hergekommen!“ sagte sie.
„Das ist die erste Wahrheit!“ Die Hyäne nickte. „Und die zweite?“
„Wenn ich nach Hause zurückkehre und den anderen Antilopen erzähle, daß ich die Hyäne getroffen habe und sie mich nicht gefressen hat, dann glauben sie es mir nicht und lachen mich aus!“
„Das ist wahr!“ bestätigte die Hyäne. „Und nun sage mir nach der zweiten auch noch die dritte Wahrheit, wenn du sie weißt!“
Wieder dachte die kleine Antilope nach. „Wenn du mich wirklich nicht frißt“, sprach sie, „dann sicher nur, weil du heute schon viel Beute gemacht hast und satt bist.“
„Auch das ist wahr!“ rief die Hyäne. „Du hast die Prüfung bestanden. Also eile nach Hause, bevor ich es mir anders überlege.“
Ihr könnt euch denken, daß die kleine Antilope sich das nicht zweimal sagen ließ.
Der kluge Papagei
Ein persisches Märchen
Es lebte einmal ein Kaufmann, der packte eines Tages seine Waren für eine weite Reise in ferne Länder zusammen. Als er sich von seinem Hausgesinde verabschiedete, sprach er: „Ich will euch allen aus dem Morgenland ein Geschenk mitbringen. Ihr aber sollt mir mein Haus hüten.“
Jeder durfte einen Wunsch aussprechen. Nun besaß der Kaufmann einen Papageien, den er sehr liebte. Er hatte ihm einen kostbaren goldenen Käfig bauen lassen, fütterte den schönen Vogel jeden Tag eigenhändig und gab ihm zu trinken. Als er sich zur Reise anschickte, galt sein letzter Blick dem Papageien, und dieser sprach: „Bringe auch mir etwas aus dem fernen Lande mit, Herr!“
Der Kaufmann wunderte sich, trat an den Käfig und sagte: „Gern will ich dir deinen Wunsch erfüllen, laß mich wissen, was du begehrst.“
Der Papagei sprach: „In dem Land, in dem du deine Waren verkaufst, wächst ein mächtiger Kassiabaum. In seinen Zweigen leben hundert Papageien. Suche diesen Baum auf und bringe dem ältesten der Vögel den Gruß ,Salem' von seinem Bruder, dem Papageien im goldenen Käfig. Ich bitte dich, gib genau acht, was er dir zur Antwort sagt, und berichte es mir. Das ist mein Wunsch.“ Verwundert trat der Kaufmann zurück und versprach, den Baum aufzusuchen und den Gruß auszurichten.
Nach langer, gefahrvoller Reise gelangte der Kaufmann in das Morgenland, trieb Handel und kaufte auch für seine Diener die gewünschten Geschenke ein.
Dann erinnerte er sich an den Wunsch seines Lieblingsvogels und suchte beharrlich die Stelle, die jener ihm genau bezeichnet hatte.
Wirklich stand da ein mächtiger Baum, und in seinen Zweigen wohnten hundert buntfarbige Papageien.
Der Kaufmann rief den ältesten der Vögel an und überbrachte ihm wortgenau den Gruß seines Papageien. Doch kaum hatte er zu Ende gesprochen und um die Antwort gebeten, da stürzte der Vogel herab und blieb tot zu des Kaufmanns Füßen liegen. Der war aufs höchste betroffen und dachte: Bestimmt war dieser wilde Papagei ein guter Freund meines eigenen, wenn er schon beim Anhören des Grußes starb.
Der Kaufmann befragte noch die anderen Vögel. Doch die schwiegen. So mußte er ohne Antwort in seine Heimat zurückkehren.
Zu Hause angelangt, teilte er die Geschenke aus und freute sich, den Papageien wohlbehalten und gesund anzutreffen. Von seinem Erlebnis unter dem Kassiabaum erwähnte er nichts, weil er fürchtete, seinen oft traurig gestimmten Vogel zu erschrecken.
Doch am nächsten Morgen fragte der Papagei: „Hast du, Herr, meinen Gruß überbringen können?“
„Ich habe ihn ausgerichtet, aber keine Antwort darauf erhalten“, erwiderte der Kaufmann. Da bat ihn der Papagei, alles genau zu erzählen, was sich unter dem Baume zugetragen habe. Und der Kaufmann sprach: „Ich kam an jene Stelle, bestellte auch dem Ältesten deinen Gruß. Doch als ich ihn ausgesprochen hatte, fiel er statt einer Antwort tot auf die Erde. Ich befragte die anderen, die aber schwiegen beharrlich!“
Kaum hatte der Kaufmann alles berichtet, als sein Papagei zu wanken begann, von der Stange stürzte und tot auf den Boden des Käfigs fiel.
Jetzt war der Kaufmann außer sich und machte sich schwere Vorwürfe. „Unbesonnen habe ich ihm von dem Tode seines Freundes erzählt. Nun ist er mir verloren.“
Er öffnete die Tür des Käfigs, legte den starren Vogel auf die Treppenstufen und rief seinen Diener, er
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