Märchen unter dem Wüsenhimmel
habe ich gesagt.“
Fassungslos starrte sie ihn an. „Du willst mich heiraten?“
„Natürlich. Warum bist du überrascht?“
Ja, warum eigentlich? Prinzen verliebten sich jeden Tag in ihre Sekretärinnen. „Wir sind nicht in irgendeinem Film aus den Vierzigerjahren“, entgegnete sie verärgert. Sie setzte sich auf und zog die Knie an die Brust. „Ich finde das gar nicht witzig.“
„Ich auch nicht.“
Sie hatte sich nie zu hoffen gestattet, dass Khalil etwas an ihr liegen könnte. Aber er war kein herzloser Mann. Zumindest hatte er sich ihr gegenüber nie so verhalten. „Ich verstehe das nicht“, flüsterte sie. „Warum tust du mir das an?“
„Das ist doch klar. Ich habe dich vom ersten Moment an begehrt. Du bist intelligent, verlässlich, anständig und gesund. Du hast all die Qualitäten, die ich von einer Ehefrau erwarte. Bis gestern Nacht warst du Jungfrau. Ich bin Prinz Khalil Khan, und ich entehre keine Frauen.“
„Das kann nicht dein Ernst sein. Du willst mich nicht wirklich heiraten.“
„Warum nicht?“
Vermutlich gab es Tausende von Gründen. Leider fiel ihr momentan nicht ein einziger ein. Sie zuckte die Achseln. „Darum nicht.“
„Aha, das erklärt alles.“ Er kehrte zum Bett zurück, setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. „Wovor hast du Angst?“
Sie forschte in seinen Augen und fragte sich, ob sie es wagen sollte, die Wahrheit zu sagen. Da ihr nichts anderes einfiel, blieb ihr kaum eine Wahl. „Davor, dass für dich alles ein Spiel ist. Wenn dem so ist, dann verstehe ich die Regeln nicht, und ich weiß, dass mir wehgetan wird. Das will ich nicht.“
Er strich ihr eine Locke hinter das Ohr und berührte ihre Wange. „Ich verstehe. Du willst mir glauben, aber du hast Angst. Was ist aus meiner wundervollen Wüstenkatze geworden?“
„Sie hat heute Morgen einen anderen Termin und konnte nicht kommen.“
Er lächelte. „Ich bete dich an. Ich weiß, dass es sehr rasch geschehen ist, aber dadurch ist es nicht weniger bedeutungsvoll. Vertraue mir. Noch wichtiger, vertraue dir selbst, süße Dora.“ Er drückte ihre Hand. „Ich will dich, in meinem Bett und in meiner Welt. Heirate mich. Komm mit mir nach El Bahar. Hilf mir bei meiner Arbeit. Hilf mir, mein Land zu verändern. Ich muss zurückkehren, aber ich weiß nicht, ob ich es ohne dich vermag.“
Sie sog seine Worte in sich auf wie der Wüstensand den Regen, blühte tief in ihrem Innern auf. Wie sehr ersehnte sie sich, ihm Glauben schenken zu können.
Abwägend musterte sie ihn. Er hatte ihr viel abverlangt und war autokratisch, aber niemals grausam. Er hatte sie nie belogen. Er war hart, aber auch ehrlich im Umgang mit anderen Menschen. Er besaß eine moralische Gesinnung. Er war nicht Gerald.
Dennoch fürchtete sie, dass er sie wie Gerald benutzte, umvon ihr etwas zu bekommen. Andererseits hatte sie ihm nichts zu bieten. Sie war eine arbeitslose Jungfer mittleren Alters mit einigen Bürokenntnissen. Er hingegen war Khalil Khan, Prinz von El Bahar.
Ehe sie es sich versah, schloss er sie in die Arme und drückte sie hinab auf das Bett. Er griff unter die Decke und streichelte sie. „Heirate mich“, drängte er. „Komm mit mir. Schenke mir Söhne. Ich werde dich zu einer Prinzessin machen, meine süße, liebliche Dora.“
Es war ihr unmöglich klar zu denken, während er sie liebkoste. Er umkreiste ihre Brüste, reizte die Knospen. Ihr stockte der Atem vor Entzücken, und sie wurde feucht vor Vorfreude auf die Vereinigung. „Khalil“, wisperte sie.
„Ja. Begehre mich, wie ich dich begehre. Glaube an mich. Hab keine Angst. Das Schicksal bietet dir eine große Chance. Dieses eine Mal greife mit beiden Händen danach. Wenn du es nicht tust, wirst du es für den Rest deines Lebens bereuen.“
Von all seinen Bemerkungen übte die letzte die größte Wirkung auf sie aus. Denn Reue hatte sie ihr ganzes Leben lang begleitet. Sie bereute ihre unglückliche Kindheit, den Mangel an Beziehungen in ihrer Jugend, das Verhältnis mit Gerald. So viel Bedauern. Und nichts davon beruhte auf etwas, das sie getan hatte. Sie bereute nicht ihre Taten, sondern ihre Untätigkeit.
Gingen ihre Träume endlich in Erfüllung?
„Heirate mich“, drängte er erneut, während er ihren Hals küsste. „Sag ja.“
Wollte sie weiterhin mit Reue leben oder ein Risiko eingehen? Sie schloss die Augen, holte tief Luft und wisperte: „Ja.“
Khalil setzte sich auf. „Ich wusste doch, dass ich dich zur Vernunft bringen kann. Gut.“
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