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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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Kuriositätenspalten einiger bunter Blätter, vornehmlich aus Wien, wo man die Oper so ernst nimmt.
    Sie handelten sämtlich von Norman Klinger und seinem seltsamen Gebaren während des Gastspiels. Vom zentnerschweren und glutheißen Koffer war da die Rede, ferner von seinem neusten Hobby, eine kleine exotische Echse mit sich zu führen, die er mit Schmuck behing und die das Zimmerpersonal des Hotels so erschreckte, daß man es ablehne, seine Räume zu betreten. Sodann von seiner Weigerung, ein Bühnenkostüm anzuziehen, das er dort seit Jahren in einer bestimmten Rolle trage und das die linke Seite des Oberkörpers frei lasse. Interviewer hätte der Star schroff und unwillig abgefertigt, Fans und Autogrammjäger kurzerhand vor die Tür gesetzt. Es scheine, der Ruhm sei ihm nunmehr zu Kopf gestiegen.
    »Etwas überspannt, der Meister, wie?« krächzte Darenna. Leontine ging schweigend an ihr Klavier zurück, und der Vater wußte, daß er sie, wenn sie nicht wollte, zu keiner Äußerung bringen würde.
    Trotzdem legte er ihr auch am nächsten und übernächsten Abend wieder das rot angestrichene Sammelsurium vor. Der Reigen war noch bunter, man warf sich gegenseitig die Bälle zu. Am vierten Abend gab es nur noch eine lakonische Meldung: Klinger habe aufgrund von Indisposition die letzte Vorstellung abgesagt.
    »Komödiantenlaunen«, kommentierte die Exzellenz, »Starallüren, Alfanzereien!«
    Leontine brach in Tränen aus. »Er ist krank, ich weiß es!« rief sie. »Warum bist du so böse? Du weißt, daß ich ihn mag.«
    Darenna sah die Weinende aufmerksam an, hob die Hand und strich vorsichtig über ihre blondbraune Haarmähne, die bei der Berührung knisterte und Funken sprühte. »Ich weiß, daß du ihn magst, ja«, murmelte er mit unerwarteter Zartheit. »Aber man kann nicht mögen, was man nicht kennt.«
    »Kennst du ihn denn?« fragte das Mädchen und schlug die feuchten Augen gegen ihn auf.
    »Hinlänglich«, erwiderte der Vater knarrend und wandte sich ab. »Drum mach dir keine Sorgen. Ihm geschieht nichts.«
    Allein geblieben, nahm Leontine die Schere und schnitt die Zeitungen kurz und klein. Vom Fenster aus sah sie, wie ihr Vater im dämmrigen Garten ein Feuer entzündete.

Feuer und Schwefel
    Als Klinger zu spüren bekam, daß das Zusammensein mit Leontine die Schmerzen des Brandmals unerträglich steigerte, daß jeder Kuß, jede Berührung wie ein Feuerstich waren, erreichten seine Verzweiflung und sein Zorn einen Höhepunkt. In finsterer Laune fuhr er zu seinem Ziel.
    Was er nicht wußte, war, daß der Magier einen Fehler gemacht hatte. Er hatte nicht eingeschätzt, daß Elben empfindlichere Sinne haben als Menschen, und die Angehörigen des Schönen Volks nicht nur jedes Licht klarer sehen, jeden Klang deutlicher hören und jede Liebkosung inniger spüren, sondern natürlich auch die Schmerzen stärker fühlen. Daß sein »gelindes Nesselbrennen« dem Herrn der Erstgeborenen zur qualvollen Pein werden sollte, hatte er nicht beabsichtigt. Hätte er andererseits erfahren, daß das feurige Geschöpfchen in des Sängers großem Koffer durchaus nicht so strikt seinen Anweisungen folgte, wie er annahm, hätte er wohl Donna unverzüglich abgelöst.
    Bisher, so meinte Klinger, ließ es sich mit ihr durchaus leben. Duftend nach dem berühmten Parfüm »Nina Ricci«, die Finger besteckt mit einem Achat und einem schönen Beryll in Weißgoldfassung, einen neuen Brillanten zwischen die Schuppen des Schweifs geklemmt, aß sie ihr Gehacktes zierlich mit Messer und Gabel und warf ihm schmachtende Blicke zu.
    Die Wiener amüsierten sich höchlich über das spannenlange, funkelnde Reptil, die neueste Marotte des großen Klinger, das wachsam züngelnd auf seinem Garderobentisch neben dem Spiegel saß oder vom Inspizientenpult her die Vorstellung verfolgte.
    Sie begriffen, daß es harmlos war, solange man es nicht reizte, ansprach oder gar berührte - das duldete es nur von seinem Herrn. Eine vorwitzige Choristin hatte gleich zu Beginn die Hand ausgestreckt, den goldenen Kamm zu berühren, und bekam die Finger an einem kleinen Feuerchen verbrannt, das plötzlich irgendwoher kam. Sie behauptete dann, die Echse sei in Wirklichkeit ein Feuerzeug.
    So ging es gut bis zum vorletzten Abend, das Kostüm war geändert, das Hotelpersonal beschwichtigt und überhaupt alles halb so schlimm.
    Die Partnerin des Sängers, eine muntere junge Frau mit den großen Augen eines Kindes, wohnte mit ihm im gleichen Hause, und schon immer

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