Märchen von den Hügeln
hatten sich beide nicht nur auf der Bühne sympathisch gefunden. So fand er ihren schelmischen Hinweis, sie hätte nichts dagegen, wenn er sie zum Nachtessen einlüde, durchaus nicht deplaciert. Er überlegte kurz, meinte, das ließe sich machen, und beeilte sich, nach der Vorstellung sein Drächlein im Hotelzimmer in Schlaf zu kraulen. Dann eilte er vergnügt und beschwingt in den Speisesaal, wo man diskret einen Zweiertisch hinter einem Paravent verborgen hatte, um die beiden Künstler vor allzu neugierigen Blicken zu schützen.
Alles verlief nach Wunsch. Der Wein war richtig gekühlt, die Krabbenmayonnaise kalorienarm, das Steak durchgebraten, der Salat frisch und die Frau reizend. Klinger hatte sich lange schon nicht mehr so wohl gefühlt. Er hatte keine Schmerzen, die großen Kinderaugen der Dame strahlten, wenn er ihrer Gesangskunst und ihrem Liebreiz ein paar schmeichlerische Worte widmete.
Als Nachtisch nahmen sie Pfirsiche, und er verglich ihre Wangen mit der samtigen Tönung der Früchte, berührte vergleichsweise ihre Haut und die des Obstes, reichte ihr schließlich scherzhaft eine halbe Frucht von Mund zu Mund über den Tisch. Dann, nach einem freundlichen Gute-Nacht, eilte er beschwingt auf sein Zimmer.
Schwefelgeruch schlug ihm entgegen, und ein fahles Licht war im Raum, in dessen Mitte Donna hoch aufgerichtet stand. Sie schien jetzt durchaus nicht die Größe eines Kindes zu haben. Ihr Drachenhaupt drohend erhoben, krächzte sie mißtönend,
gleichsam wie ihr Meister Darenna: »So geht es aber nicht, Herr Klinger!«
Der überraschte Sänger sah mit Entsetzen, wie bläuliche Feuerzungen aus dem Maul des Drachenweibchens ringelten und dessen Augen rötlich glommen. Ein hohles Geräusch wie von einem Blasebalg erfüllte die Luft, und schon fuhr die Lohe aus dem Rachen der Bestie. Glühende Hitze schlug über ihm zusammen.
»Um Gottes willen, Donna, was machst du!« ächzte er und hob die Hände vors Gesicht, sah nur Flammen und dann gar nichts mehr.
Als er erwachte, lag er in einem Krankenhausbett, ohne die leiseste Erinnerung, wie er dorthin gekommen war. Auf dem Nachttisch hockte das spannenlange Echslein und sah ihn unschuldsvoll an. Ein paar sehr teure Ärzte in makellos weißen Kitteln fragten ihn, was er denn für Geschichten mache und ob er sich etwa überarbeitet habe.
Zum Entsetzen der Herren erhob sich der Sänger, erklärend, ihm fehle nichts, was er sogleich unter Beweis stellte, indem er einen Arienanfang intonierte und seinen Koffer aus dem Schrank zerrte. Wohl oder übel mußte man ihn ziehen lassen, nachdem er die unangemessen hohe Rechnung beglichen hatte.
In der Tat hatte er, abgesehen von ein bißchen angesengten Augenbrauen und Haarspitzen, das Verfahren Donnas schadlos überstanden. Die Kleine sah aufmerksam zu, wie er packte. Er hielt ihr wortlos ihr Asbesttäschchen hin, in dem er sie im Koffer zu verstauen pflegte.
Während sie hineinschlüpfte, lispelte sie: »Entschuldigung. Ich wollte es nicht so stark. Ich wußte nicht, auf welche Dosis Sie anspringen. Schließlich muß ich den Befehlen Seiner Exzellenz gehorchen.«
Klinger seufzte. »Weißt du was, mein Tierchen? Du gehst mir ziemlich auf die Nerven.«
Er zog den Reißverschluß zu und rief die Auskunft an, wann der nächste Zug nach Haus gehe. Die Vorstellung war ohnehin versäumt.
In den Pilzen
Leontine fand ihren Liebsten verändert, ernster als sonst, abwesend, wenig zärtlich. Er weigerte sich, Auskünfte über Wien zu geben: Das sei alles dummer Klatsch, nichts davon stimme. Allerdings habe er die letzte Vorstellung absagen müssen, er sei plötzlich heiser geworden.
Sie waren auf einem gemeinsamen Ausritt unterwegs, eine jener Gelegenheiten, die Klinger sonst mit Entzücken nutzte, sicher vor den Augen der Neugierigen und ohne daß es der Vater wußte, mit ihr zu tändeln, zu plaudern, Seite an Seite dahinzutraben und Küsse zu tauschen.
Heute hatte er eine schnelle Gangart angeschlagen und schien mehr mit seinem Schimmel beschäftigt als mit dem Mädchen. Seine Augen waren beharrlich auf den Hals des Pferdes gerichtet. Leontine betrachtete sein Gesicht von der Seite. Es schien ihr dunkler, strenger, ohne all das Licht. »Wie du aussiehst«, sagte sie, »wie verbrannt.« Sie wußte selbst nicht, woher ihr das auf die Zunge gekommen war.
Er hob kurz den Kopf und sah sie an, und in diesem Blick war so viel Liebe und Leid, daß sie tief erschrak, ihren Braunen antrieb und auf dem schmalen Pfad zwischen
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