Märchen von den Hügeln
Kleinen von Anfang an unheimlich, wenn nicht gar verhaßt.
Zwar fürchteten sich zuerst auch die Elben beim Aufflammen des Himmelslichtes; doch sie erkannten bald, daß es wohltat und Wärme spendete im rauhen nördlichen Gebirge. Neben ihrem Weg gingen Ströme Schmelzwassers zu Tal, erste Blumen blühten ihnen zu Füßen.
Da stimmte Tar-Ciryatan ein Lied auf seine Schwester an, die im Hügelland weilte. Die Vögel, die aus dem Süden kamen, erlernten seinen Gesang, und er wurde zu ihrer Sprache.
Vielleicht wäre das Schöne Volk schon in jenen frühen Tagen zum Stromtal gelangt, wäre nicht ein Umstand eingetreten, der erneut Verwirrung stiftete.
Plötzlich verdunkelte sich der Himmel wieder, unheimlicher als von aufziehenden Wolken. Der Vögel Lied verstummte ängstlich. Furchtsam schlossen sich die zagen Blüten. Selbst der fröhliche Wind verharrte stumm und lauschte.
Tar-Ciryatan befiel große Angst um seine Schwester und das Geschick der Elben; war er doch der einzige außer Aina-Aglar, der um das Geheimnis des Goldes wußte und ahnte, was geschehen war. Er eilte, die Elbin zu suchen. Der Weg war ihm weniger beschwerlich als Aina-Aglar, denn der rauhe Wald hatte schon sein Gesicht verändert. Überall spürte man den Frühling. Der Pfad war gangbarer geworden und die Kälte längst nicht mehr so unerbittlich.
Tar-Ciryatan fand seine Schwester schlafend vor Erschöpfung auf dem Grat der Hügel, als er die Berge zum erstenmal bestieg.
Aina-Aglar wirkte zerbrechlicher denn je. Sie war allein. Der Elb hob sie auf und trug sie hinab ins Stromtal. Sie schlief in seinem Arm.
Vieles von dem, was weiter geschah, weiß niemand zu berichten. Selbst Tar-Ciryatan, der Geheimnisse sonst nicht lange hütete, schwieg darüber, als er zurückkehrte. Das Schöne Volk schrieb das Schweigen seiner Übermüdung zu und vergaß irgendwann, danach zu fragen.
Folgendes hatte sich ereignet:
Plötzlich ging die Sonne wieder auf, doch weniger heftig und grell. Großen Fühlern gleich streckte sie ihre Strahlen über den Horizont und hob das flammengekrönte Haupt darüber. Sie wanderte eine Zeitlang am Himmel, und die Elben konnten ihrer Bahn mit den Augen folgen, bis sie sich dem Erdenrand zuneigte und die Strahlen hinter den rotglühenden Gipfeln verbarg.
Da fürchteten sie, das geliebte Feuer wäre ihnen wiederum genommen worden. Doch bald darauf stieg es in neuer Pracht am östlichen Horizont empor, und zerstreut waren all ihre Ängste.
Niemand sprach je darüber, und doch schien ein jeder zu ahnen, daß die Dunkelheit das Werk Tardak Aridons gewesen war.
Der Drang, den schönen Reif zu besitzen, war in dem Maße in ihm gewachsen, wie das Kleinod unter seinen Händen gedieh. Weniger der Wert des Goldes hatte ihn verlockt als die Sehnsucht, das Meisterwerk für sich alleine zu behalten, verborgen vor den Augen der Welt.
Daß er sein Volk verängstigt und wimmernd am Boden liegen sah, hatte ihn in der Überzeugung bestärkt, falsch gehandelt zu haben, als er den Reif aus den Händen gab. Er vergaß, daß das Gold sein rechtmäßiger Besitz nicht war, und er ersann etwas, das den Zauber des Reifes auf geheimnisvolle Art einzuschränken vermochte. Es gelang ihm, das Licht untergehen und wiederum Finsternis herrschen zu lassen.
Niemand wußte freilich, woher er solche Macht über den nicht mehr auffindbaren Schatz besaß.
Dunkelheit deckte das Land bis zur Ankunft Tar-Ciryatans.
Lange sprachen Zwerg und Elbenfürst miteinander. Kein dritter erfuhr je ihre Reden.
Tar-Ciryatan verließ Tardak Aridon zur Stunde des zweiten Sonnenaufgangs. Er stieg empor zur Hügelkette, und neben ihm ging Aina-Aglar. Der Fluß spiegelte die roten Strahlen wider und zog sich gleich einem feurigen Band durchs Tal.
»Vielleicht«, sagte der Elb, »kehre ich eines Tages hierher zurück.«
2. Teil
Seltsam, daß diesen Sommer die Tage nicht kürzer werden, dachte Lindo, während er am Ufer des Stroms entlang den Weg zur Behausung seines ehemaligen Freundes Adalbert nahm. Er sah auf die Uhr: Es war bereits kurz nach zehn, und noch immer stand die Sonne wie festgehängt über dem Horizont. Auch fragte er sich, was Adalbert bewogen haben mochte, ihn telegrafisch um sein Kommen anzuflehen. Seit Jahrzehnten lagen sie mehr oder weniger in Fehde; das heißt, Adalbert ignorierte ihn, und Lindo nahm es hin.
Ein seltsames Paar waren sie immer gewesen, der griesgrämige, fade Zwerg und Lindo, dessen Vater aus dem kunstbeflissenen Geschlecht der Elben
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