Märchen
Elfen versanken zum Hofknicks. Denn durch das Tor kam der Elfenkönig mit seinem Gefolge, voran eine Musikkapelle.
Oh, wie war er schön, der Elfenkönig! Lena konnte gut verstehen, daß Muj ihn so gern hatte.
Tiefer sank die Dämmerung. Zarte Töne einer Tanzmusik wehten durch die laue, warme Mainacht.
Da stand Muj. Da stand sie in einem Kleid, das schöner war als irgendein anderes. Sie zupfte an ihrem Rock und schlug schüchtern die Augen nieder.
Der König fand wohl auch, daß Muj in ihrem Kleid sehr schön war, denn er ging sofort auf sie zu und verbeugte sich vor ihr.
Bald war der ganze Garten voller tanzender Paare. Wie ein leichter Windhauch schwebten sie über den Rasen. Aber am leichtesten tanzten Muj und der Elfenkönig. Muj sah sehr glücklich aus.
Lena wußte nicht, wie lange sie im Baum gesessen hatte. Aber plötzlich hörte sie ein Trompetensignal. Der Ball war zu Ende.
Wie durch Zauberei waren alle verschwunden, der König und sein Gefolge, Muj und die anderen Elfen.
Lena kroch durch das Fenster zurück und legte sich in ihr Bett.
Da sah sie etwas Weißes auf dem Fensterbrett. Dort stand Muj.
Ihr Gesicht leuchtete in einem seltsamen Glanz.
»Danke«, flüsterte sie. »Danke. Ich bin ja so glücklich.«
»Du wirst sehen, er heiratet dich«, sagte Lena.
Aber Muj schüttelte den Kopf.
»Das erwarte ich gar nicht«, sagte sie. »Das ist auch gleich. Selbst wenn ich Elfenkönigin werden sollte - schöner als diese Nacht kann nichts mehr werden. Nur ein einziges Mal in seinem ganzen Leben kann man so glücklich sein wie in dieser Nacht.«
Sie sah Lena mit glänzenden Augen an.
»Das alles verdanke ich dir«, sagte sie. Und dann war sie verschwunden.
»Verdankst du dem Taschentuch, meinst du«, sagte Lena vor sich hin. Eine Weile überlegte sie, wie sie Mama erklären sollte, daß
das Taschentuch weg war.
»Ich sage einfach, ich habe es für einen wohltätigen Zweck gestiftet«, sagte sie laut.
Und dann schlief Lena ein, gerade als die ersten Sonnenstrahlen mit den Apfelblüten vor ihrem Fenster zu spielen begannen.
Junker Nils von Eka
or langer Zeit, in den Tagen der Armut, gab es einen Jungen, der lag krank in einer Kate tief im Wald. Nils V hieß der Junge, und Eka war der Name der Kate. Es gab viele solche Katen wie Eka zu jener Zeit, genauso klein und grau und arm an allem außer an Kätnerskindern. Aber solche wie Nils gab es nicht viele.
Jetzt war er schwer krank, und seine Mutter fürchtete, er müsse sterben, und da bettete sie ihn in die gute Stube, wohinein sonst kein Kind werktags auch nur seine Nase stecken durfte. Nils hatte dort ein Bett für sich ganz allein, zum erstenmal in seinem Leben. Das Fieber brannte ihm im Blut, und er war kaum noch bei Besinnung, spürte aber doch, wie köstlich es ist, ein Bett für sich allein zu haben. Ja, die gute Stube erschien ihm schöner als das Himmelreich, wohin er nun wohl kommen würde, wie seine Mutter glaubte. In der Stube war es kühl und dunkel, denn das Rollo war herabgezogen, und dahinter stand das Fenster weit offen zum Sommer, dessen Laute und Düfte Nils wahrnahm wie im Traum. Es war Juni, Flieder und Goldregen blühten rings um die Kate, und im Wald rief der Kuckuck wie toll. Die Mutter hörte es voll Angst, und als der Vater abends von der Arbeit heimkam, empfing sie ihn mit bleichem Gesicht.
»Nils geht von uns«, sagte sie. »Hör doch den Kuckuck, er kündet uns einen Toten im Haus an.«
Denn dazumal glaubte man, wenn sich der Kuckuck bis in die Nähe eines Hauses wagt, dann muß dort jemand sterben. Und nie
zuvor hatte der Kuckuck so laut und so wild und so nahe der Kate gerufen wie in diesen Junitagen. Auch die kleinen Geschwister hörten es. Sie standen vor der geschlossenen Tür zur guten Stube und nickten ergeben.
»Hört den Kuckuck«, sagten sie. »Da drin liegt unser Bruder und stirbt.«
Doch davon ahnte Nils nichts, er dämmerte im Fieber dahin und vermochte kaum die Augen zu öffnen. Nur hin und wieder blinzelte er durch die Wimpern und sah das Wunderbare... Er lag in der guten Stube! Und da sah er das Schloß auf dem Rollo.
Ein einziges Kleinod, etwas wirklich Kostbares gab es in der ärmlichen Kate. Es war dieses Rollo, das der Vater einmal auf der Versteigerung eines Herrenhofes erstanden und zum Staunen und Entzücken der Kinder vor das Fenster der guten Stube gehängt hatte. Darauf war ein Schloß gemalt, eine Ritterburg mit Zinnen und Türmchen, und etwas so Einzigartiges hatten die
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