Maerchenhochzeit in Granada
sondern die achtzehnjährige Maggie und ihre Ideale. „Seine Firma existierte tatsächlich. Sie lief nur nicht besonders gut. Zuerst hat er sich wirklich Mühe gegeben, das weiß ich. Und manchmal hat er lukrative Aufträge an Land gezogen. Aber dann hat er angefangen, über seine Verhältnisse zu leben."
„Und wie ist er dann zu dem geworden, was er zum Schluss war?"
„Ich schätze, er konnte einfach nicht mit Geld umgehen. Er dachte immer, das Geld würde schon kommen, und wenn es nicht der Fall war, na ja ... Ich hatte ein bisschen, aber das hat er auch ausgegeben. Ich habe immer gehofft, er würde irgendwann erwachsen werden und mehr Verantwortung zeigen. Allerdings war er zwölf Jahre älter als ich, er wäre wahrscheinlich nie erwachsen geworden. Und als das ganze Geld weg war, ist er in Panik geraten."
„Hat er dich geschlagen?"
„Nein", erwiderte Maggie prompt.
Sebastian beobachtete sie und überlegte, ob ihr klar war, was sie damit preisgegeben hatte.
Dass sie diese Frage so schnell beantwortet hatte, bedeutete, dass es so ziemlich das Einzige war, was Roderigo nicht getan hatte.
„Er ist immer den Weg des geringsten Widerstandes gegangen", fuhr sie fort. „Schließlich konnte er überhaupt nicht mehr arbeiten. Also musste er sich das Geld durch kriminelle Machenschaften besorgen." Sie lachte humorlos. „Darin war er ziemlich gut. Also hat er natürlich weitergemacht."
„Warum bist du bei ihm geblieben?"
„Vielleicht aus Sturheit. Ich wollte mir nicht eingestehen, was aus unserer Liebe geworden war."
„Hast du ihn geliebt?" erkundigte Sebastian sich ungläubig und verächtlich zugleich.
„O ja", flüsterte Maggie. „Ich habe einmal geliebt. Er hatte mir alles bedeutet. Und dann ...
habe ich erfahren, dass ich schwanger bin."
Da sie in den Kamin blickte, sah sie nicht, wie er zusammenzuckte.
„Ich war so zuversichtlich, weil ich dachte, Roderigo würde sich ändern." Wieder lachte sie auf. „Als könnte ein Mensch sich von Grund auf ändern. Aber es wurde noch schlimmer. Er pflegte zu sagen: ,Ich habe es für dich und unseren Sohn getan.' Am liebsten hätte ich geschrien.
Er war ganz sicher, dass es ein Junge werden würde. Er hat hochtrabende Pläne gemacht und weitergestohlen. Ich glaube, zu dem Zeitpunkt habe ich gemerkt, dass sein Gesicht sich verändert hat. Es wurde dünner, verhärmter und ... verschlagen."
„Ich habe ihn bei der Verhandlung gesehen und gedacht, dass er wie ein mieser Verbrecher aussieht", meinte Sebastian. „Ein mieser Verbrecher, der nichts unversucht lässt, um sich aus der Affäre zu ziehen. Zum Glück hat er es nicht geschafft. Selbst seine Komplizen haben nicht mehr zu ihm gehalten. Einer hat sogar gegen ihn ausgesagt."
„Ja, das habe ich gehört."
„Ich habe dich nie im Gerichtssaal gesehen, sonst hätte ich mich an dich erinnert."
„Ich war nicht da. Am Tag vor Verhandlungsbeginn haben vorzeitig die Wehen eingesetzt.
Meine Tochter wurde im sechsten Monat geboren. Sie hat noch eine Woche im Brutkasten gelebt. Ich bin die ganze Zeit bei ihr geblieben. Ich wusste, dass die Verhandlung läuft, aber das alles war für mich so weit weg."
„Jetzt verstehe ich auch, warum du so traurig warst, als du die Krippe betrachtet hast", sagte er ernst.
„Das Christkind war fast genauso groß wie mein Baby. Frühchen sind so winzig - man kann sie fast in einer Hand halten. Allerdings konnte ich sie nicht berühren, nur ansehen." Maggie seufzte. „Bist zum Ende. Als sie gestorben war, hat man sie in ein Tuch gewickelt, und ich konnte sie im Arm halten. Sie war noch warm, als wäre sie noch am Leben. Erst als sie kalt wurde, habe ich akzeptiert, dass sie wirklich tot war."
Daraufhin schwieg sie eine Weile. Sie legte die Arme um sich und wiegte sich hin und her, den Kopf gesenkt. Sebastian beobachtete sie entsetzt. Damit hatte er nicht gerechnet. Sanft legte er ihr die Hand auf die Schulter, doch sie zuckte zurück.
Er neigte ebenfalls den Kopf und hielt sich die Hände vors Gesicht. Hilflosigkeit, Frust, das Gefühl, dass er etwas falsch ge macht hatte und es nicht wieder gutmachen konnte, waren Empfindungen, mit denen er nicht umgehen konnte. Don Sebastian de Santiago wusste auf alles eine Antwort. Deswegen kamen die Leute zu ihm. Doch Maggie war sehr traurig, und am liebsten hätte er jemanden dafür bestraft. Dieser Jemand war allerdings er selbst.
„Sie war so winzig, und sie hat so gekämpft", flüsterte sie. „Ich hätte mein Leben für ihres
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