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Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Titel: Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: JazzyBee Verlag Jürgen Beck
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nach einigen Jahren der König starb, und der Prinz den väterlichen Thron bestieg. Bald darauf aber wurde er in einen Krieg mit einem benachbarten Kaiser verwickelt, und mußte ins Feld rücken. Da übergab er einstweilen, nach der Sitte des Landes, seiner Mutter, der verwittweten Königinn, die Herrschaft, und empfahl ihr besonders seine Gemahlinn und Kinder, und bat sie auf das dringendste, ja dafür Sorge zu tragen, daß ihnen nichts zu Leide geschehe. Das versprach ihm auch die Mutter, worauf er, nicht ohne ängstliche Besorgniß, in den Krieg zog.

     
    Kaum aber waren einige Tage verflossen, so sandte die alte Königinn ihre Schwiegertochter mit deren beiden Kindern auf ein altes, abgelegenes Waldschloß, in der Absicht, sie hier ihren abscheulichen Gelüsten zu opfern, und folgte dann selbst nach.

     
    Eines Tages ließ sie, am späten Abend, ihren Haushofmeister zu sich kommen, und sagte zu ihm: »Morgen Mittag will ich die kleine Aurora speisen; hört Ihr?« – »Um Gottes Willen, gnädigste Frau!« rief erschrocken der Haushofmeister. – »Keine Widerrede!« versetzte die Königinn, »und zwar will ich sie mit einer sauern Zwiebelbrühe essen.« – Der arme Mann wagte hierauf nichts zu erwiedern, nahm sein großes Messer, und ging in die Kammer der kleinen Aurora. Diese kam ihm freundlich entgegen gesprungen, fiel ihm liebkosend um den Hals, küßte ihn und sagte: »Ach gewiß bringst du mir schönes Zuckerwerk mit!« Diese holde Freundlichkeit und Unschuld rührte den Haushofmeister bis zu Thränen; er ließ das Messer fallen, und lief auf den Hof, und schlachtete da ein Lämmchen, das er köstlich bereitete, und es der alten Königinn vorsetzte, die es mit großem Wohlgeschmack verzehrte. Die kleine Aurora aber brachte er zu seiner Frau, um sie in einer geheimen Kammer zu verbergen, welche er unten im Hofe hatte.

     
    Acht Tage darauf sprach die alte Königinn abermals zu dem Haushofmeister: »Die kleine Aurora hat mir außerordentlich wohl geschmeckt, nun will ich auch den kleinen Tag speisen; bereitet ihn auf dieselbe Art!« Der Haushofmeister erwiederte kein Wort, sondern dachte: Ich werde dich jetzt wieder täuschen, wie das erste Mal.

     
    Er ging nun zu dem kleinen Tag, der eben einen Degen in der Hand hatte, und sich mit einem großen Affen herumfocht; und gleichwohl war er erst drei Jahre alt. Er brachte ihn auch seiner Frau, um ihn zu der kleinen Aurora zu thun, und statt des Kindes tischte er der alten Königinn ein junges zartes Reh auf, das ihr ganz vortrefflich schmeckte.

     
    Bis jetzt war nun Alles gut gegangen; aber wie erschrak der arme Haushofmeister, als die böse Königinn eines Abends zu ihm sagte: »Ich will nun auch die Mutter von den Kindern essen, und zwar mit derselben Brühe!« Dies Mal war es schon schwieriger, ja fast unmöglich, die Alte zu hintergehen. Die junge Königinn war ohne die hundert Jahre, die sie verschlafen hatte, etwas über zwanzig Jahre alt; ihre Haut war etwas hart, obgleich weiß und schön, und wo sollte er in dem ganzen Thiergarten ein Thier finden, das ihr gliche? Er entschloß sich daher, um das eigene Leben zu retten, die junge Königinn zu schlachten, und ging mit einem großen Messer in ihr Zimmer, wo er ihr dann mit aller Ehrerbietung ankündigte, welchen Befehl er von ihrer Schwiegermutter, der verwittweten Königinn, erhalten habe.

     
    »Thut, wie Euch befohlen ist!« rief die junge Königinn, und hielt ihm den Hals hin; »so werde ich von meinem Kummer erlöst, und meine armen Kinder wiedersehen.« Denn sie hielt sie für todt, weil sie ihr heimlich entführt worden waren.

     
    Den Haushofmeister hatten die Worte der unglücklichen Mutter so gerührt, daß er es nicht über sich vermochte, sie zu tödten. Daher sagte er zu der Königinn: »Nein, nein! Ihr sollt nicht sterben; ich will Euch wieder zu Euern Kindern bringen, die ich vor der Wuth Eurer Schwiegermutter verborgen habe; der Alten aber werde ich eine Hirschkuh zubereiten, vielleicht daß sie auch dies Mal den Betrug nicht entdeckt.«

     
    Er führte hierauf die Königinn in die Kammer zu ihren Kindern, die ihr mit großer Freude um den Hals fielen; dann richtete er eine Hirschkuh zu, und brachte sie der Alten, die sie, in der Meinung, daß es die junge Königinn sey, sehr begierig verzehrte. Nun nahm sie sich vor, dem Könige bei seiner Rückkehr vorzureden, daß seine Gemahlinn nebst den beiden Kindern von den Wölfen angefallen und aufgefressen worden wären.

     
    Als sie

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