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Märchenmord

Märchenmord

Titel: Märchenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Spurensicherung abwarten. Vielleicht finden die etwas, das Licht in die Geschichte Ihrer Tochter bringt. Und wir werden sehen, ob es eine Vermisstenanzeige gibt. Nur wenn jemand vermisst wird, können wir nach ihm suchen.« »Es gibt für alles eine Erklärung«, erwiderte Ginas Mutter, legte den Arm um Gina und zog sie mit sich fort. Gina wehrte sich nicht. Sie war plötzlich unglaublich müde. Als ihre Mutter die Haustür aufschloss, hörte sie hinter sich eine Stimme. Sie drehte sich um und erkannte Noah, der sich aus der Menge löste, die noch immer neugierig das Geschehen beobachtete. Er sah sie eindringlich an und sagte etwas, das sie nicht verstand. Wie auch. Es war Arabisch.
    •

Neun
    D as verschwommene Licht der Morgendämmerung drang durch die Schlitze der Fensterläden und Gina vernahm ein Geräusch, das in ihren Ohren wie eine Warnung klang. Schweißgebadet schreckte sie hoch. Nur langsam wurde ihr klar, dass eine Gruppe Tauben sich draußen auf der Brüstung des kleinen Balkons niedergelassen hatte. Dem Gurren nach hatten sie Wichtiges zu besprechen. »Haltet die Klappe!«, murmelte Gina und schloss erneut die Augen. Nach den seltsamen Ereignissen des gestrigen Abends war sie zunächst zu aufgedreht gewesen, um einzuschlafen, doch irgendwann spät war sie doch in einen schweren Schlaf gefallen, aus dem sie immer wieder aufgeschreckt war. Die ganze Nacht war das Mädchen in dem blauen Kleid durch ihre Träume gegeistert. Gegeistert! Das war das passende Wort! Es war sogar verdammt passend! Immer wieder war das Mädchen wie ein Gespenst aufgetaucht. Blass, geradezu durchsichtig. Als ob lediglich blauer Stoff durch die Dunkelheit wehte. Das allein wirkte schon unwirklich, aber wirklich abgedreht war, dass sie die Hand ausstreckte und ihr, Gina, zuwinkte. Mit diesen langen farblosen Fingern, als seien sie aus durchsichtigem Glas. Richtig abgefahren aber wurde es, als Gina versuchte, die Hand zu ergreifen. Dann löste sich diese nämlich augenblicklich in Luft auf. Echt gruselig. Die Finger lösten sich in Luft auf. Das sagte man so dahin. Aber tatsächlich hatte Gina erst eine Berührung und dann einen kalten Hauch auf ihrer Hand gespürt. Unwillkürlich zog Gina jetzt die Hand unter der Bettdecke hervor und starrte sie lange an. Dann legte sie sie an ihre Wange. Sie war eiskalt.
    Alles Unsinn ! Non-sens, wie der Franzose sagte . Eine Berührung konnte man nicht sehen. Und ein Traum wa r ein Traum. Sie sollte ihn vergessen und versuchen, sich an de n Abend zu erinnern. Hatte sie etwas vergessen? Irgendeine Kleinigkeit? Ein winziges Detail, das sie Monsieur Ravel erzähle n konnte, damit er ihr endlich glaubte ? Da war etwas in ihrem Hinterkopf! Sie spürte es genau. Verdammt! Sie sah die Szene so klar vor sich, als sei sie vergrößert . Wie der Mann mit dem Messer auf das Mädchen losgegange n war. So etwas bildete man sich doch nicht ein! Außer, ja, auße r man war vollkommen schwachsinnig. Und das war sie nicht . Auf keinen Fall . Nein, das gestern Abend war keine Einbildung gewesen, sondern die wirkliche Wirklichkeit. Egal, ob ihre Mutter oder diese r Polizist ihr glaubten. Egal, ob das Mädchen verschwunden wa r oder nicht. Es war eine Tatsache: Der Mann in dem schwarze n Anzug hatte das Mädchen getötet. Das war so sicher, wie die Erde sich um die Sonne drehte, wie der Himmel über Paris heut e blau war, wie ihre Hand fünf Finger hatte: eins, zwei, drei, vier , fünf . Aus diesen Gedanken riss sie ihre Mutter, die mit einem Tablet t zur Tür hereinkam. Sie trug noch ihr Nachthemd, das sie Negligé nannte, und hatte Lockenwickler im Haar . »Guten Morgen, mein Schatz. Hast du gut geschlafen? « Blöde Frage. Seit wann schlief man gut nach einem Mord ? »Nein! « »Kein Wunder. Die Luft ist ja so stickig! « Ihre Mutter riss das Fenster auf und klappte die Läden zur Seite . Erschreckt flogen die Tauben auseinander und gurrten laut vo r Entrüstung. »Heute scheint die Sonne. Ein wunderbarer Tag ! Paris wartet auf dich. «
    »Paris kann bis in alle Ewigkeit warten. Ich bleibe im Bett!« Ihre Mutter ignorierte ihre schlechte Laune: »Ich muss in einer Stunde im Theater sein. Du begleitest mich. Nach dem gestrigen Abend möchte ich nicht, dass du hier alleine in der Wohnung sitzt und dir weiß Gott was für Gedanken machst…« »Du denkst immer noch, ich habe mir das alles eingebildet, stimmt’s?« »Vergiss das Ganze einfach.« »Vergessen? Hey, wie kann ich das vergessen? Ich habe einen Mord

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