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Märchenmord

Märchenmord

Titel: Märchenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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will uns ja nicht helfen.« »Aber immerhin können wir jetzt beweisen, dass sie in der Wohnung war.« Pauline hob das Bündel hoch. »Wir haben die Briefe.« Gina nahm sie ihr aus der Hand und packte sie zurück in den Rucksack. »Dann lass uns zur Polizei gehen.«
    »Aber ohne mich.« Noah erhob sich. »Ich muss an meine Familie denken.«
    *
    Sie trennten sich vor der Haustür. Noah war still. Sein Gesich t hatte einen ungewohnt nachdenklichen Ausdruck. Kein Blic k traf Gina. Kein Sprichwort zum Abschied. Warum ließ er si e plötzlich im Stich? Weil sie nichts von den Briefen gesagt hatte? »Sehen wir uns morgen?«, fragte sie, um etwas zu sagen . »Der Weg in die Banlieue ist weit«, erklärte er . Wo war das Lächeln von Johnny Depp? Noah wandte sich um , ohne Gina anzusehen. Kurz bevor er die Treppe zur Metro hinunterging, winkte er noch einmal: » Salut , Pauline. « Er hatte sich nur von Pauline verabschiedet, nicht von Gina . Das gab ihr einen Stich ins Herz. Irgendwie hatte sie das verdammte Gefühl, dass sich alle Menschen von ihr abwandten . Was machte sie nur falsch ? »Netter Typ. « »Ja.« Pauline hatte recht. Erst jetzt begriff Gina das. Noah wa r der Einzige gewesen, der ihr geglaubt hatte, der Einzige, der geholfen, der Einzige, der sie beschützt hatte . »Lass uns gehen«, hörte sie Pauline entschlossen sagen. »Die Polizei muss Karim verhaften, bevor er dir etwas antun kann. «
    •

Neunzeh n
    D ie Sonne stand tief über den Dächern und warf lange Schatte n über die Straßen von Paris. Mit Schrecken stellte Gina fest, das s es bereits kurz nach acht war. Ihre Mutter hatte mit Sicherhei t versucht, sie auf dem Handy zu erreichen, und wusste nicht , dass es im Besitz des schwarzen Mannes war. Verschweigen wa r nicht immer eine Lösung. Es brachte Gefahren mit sich, wi e Gina jetzt einsehen musste. Andererseits … wenn die Eltern einem nicht helfen, zwingen sie einen, sein Leben selbst in di e Hand zu nehmen, und sollten sich anschließend nicht beschweren . »Du machst mich nervös«, sagte Pauline. »Warum schaust d u immer wieder auf die Uhr? « »Meine Mutter. Sie macht sich sicher Sorgen. « »Mütter machen sich immer Sorgen. Sie haben nichts andere s aus der Evolution gelernt. Es ist einfach ihr Job, verstehst du? « Schweigend gingen sie nebeneinanderher . »Ruf sie halt an«, schlug Pauline vor . »Ich weiß ihre Nummer nicht. « »Das ist schlecht. Aber, hey, dafür gibt es heutzutage im Hand y einen Nummernspeicher. « »Karim hat mein Handy, hast du das vergessen? « »Merde«, sagte Pauline . Ja, merde . Pauline hatte das Skateboard mitgenommen. Ab und zu fuhr si e ein Stück damit und übte komplizierte Drehfiguren . »Wie war sie eigentlich so?«, fragte Gina . »Wer? « »Najah. « »Najah? Sie ist, ich meine, war garantiert nicht so, wie du dir si e vorstellst. Also hundert Prozent heilig, verstehst du? Sie sah ja aus wie die Jungfrau Maria mit diesen Kleidern, aber am liebsten hätte sie Jeans getragen. Ich sag dir was, gegen ihre Familie sind unsere Mütter Weicheier und kein wirkliches Problem.« Pauline schwieg kurz. »Aber ich hatte nie eine bessere Freundin. Was allerdings nicht schwer ist, denn eigentlich hatte ich noch nie eine wirkliche Freundin. So eine, der man alles erzählt. Liegt vielleicht daran, dass ich keine Geheimnisse habe. Wozu auch? Ich habe nichts zu verheimlichen. Von mir kann jeder alles wissen.« Gina dachte an das rote Herz, das sie aus dem Taxifenster geworfen hatte. Mit Sicherheit war es bereits platt gefahren. Ein schnelles Ende einer langen Freundschaft. »Vielleicht haben wir uns deshalb so gut verstanden«, fuhr Pauline fort. »Najah hat immer die Wahrheit gesagt. Ich war mal in so einen Typen verknallt, weißt du. Der absolute Skateboardfreak. Und sie hat immer gesagt, dass der mich nur ausnutzt. Ich habe ihr nicht geglaubt. Aber am Ende hat sie recht behalten.« »Ja«, erwiderte Gina. »Ich weiß, was du meinst.« »Er hat einfach mit mir Schluss gemacht. An meinem Geburtstag.« »Echt brutal.« »Einfach so per SMS«, fügte Pauline hinzu. »Mann, war ich fertig. Ich bin als Erstes zu Najah gegangen und sie hat mich getröstet, obwohl ich sie einige Tage vorher noch beschimpft habe.« Gina dachte an Marie. Hatte sie mit Tom vielleicht doch recht? Pauline riss sie aus ihren Gedanken. »Wir sind hier.« Sie standen vor einem hässlichen mehrstöckigen Bau, der aussah, als sei er aus grauen Legosteinen zusammengesetzt worden. Lediglich ein

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