Märchensommer (German Edition)
passierte es schon mal, dass diese Tür einen Spaltbreit aufging. Wenn auch nur einen sehr kleinen.
„Sieh die Sache doch mal von der positiven Seite. Bald hast du wieder eine ganze Familie, für die du wichtig bist. Und dieser Junge wirkte heute auf mich, als würde er sich auch wirklich um dich sorgen.“
„Ich weiß echt nicht, was daran gut sein soll, mit dem Drachen und ihrem kindlichen Liebhaber zusammenzuwohnen.“
Weil er einen Gang rauf- oder runterschalten musste, ließ Quinn meine Hand los. „Quatsch. Er ist doch nicht ihr Liebhaber.“
„Woher willst du das wissen?“
„Ich hab mich heute Morgen kurz mit ihm unterhalten. Anscheinend ist er so etwas wie ein Pfleger. Ein sehr netter Bursche.“
Wenn Quinn das sagte, gab es für mich keinen Grund, daran zu zweifeln. Doch woher das seltsame Kribbeln in meinem Bauch kam, als er von ihm sprach, war mir ein Rätsel.
„Mach dir keine Sorgen“, fügte Quinn hinzu. „Ich hab ihm nur Gutes über dich erzählt.“
Ja genau, als ob es über mich je etwas Gutes zu sagen gegeben hätte. Da wäre mein Name und … tja, das war’s auch schon wieder. Aber wo wir gerade beim Thema Namen waren …
„Hat er dir auch gesagt, wie er heißt?“
„Ja.“
Ich wartete. Doch es kam nichts. „Und?“
Quinn begann zu grinsen. „Interessiert dich der Junge?“
Ich stieß ihm meinen Ellbogen in die Rippen, woraufhin er laut lachte. „Lass das, Kleine. Ich muss mich auf die Straße konzentrieren.“
„Ich bin nicht an ihm interessiert“, gab ich bissig zurück. „Es interessiert mich nur, mit welchen Leuten ich in den nächsten sechs Wochen zwangsläufig zu tun haben werde. Das ist alles.“
„Ach, stimmt ja. Es muss für dich sicher aufregend sein, nach all den Jahren diese Tante in Frankreich kennenzulernen. Wie war noch gleich ihr Name?“
„Keine Ahnung. Wen juckt das schon?“
„Ha! Erwischt! Ich dachte, du möchtest über alle Leute Bescheid wissen, mit denen du zu tun haben wirst?“ Er schmunzelte und es ging mir tierisch auf die Nerven. Dann sagte er: „Wusstest du, dass der Bursche nur ein paar Jahre älter ist als du? Wer weiß, wenn du nett zu ihm bist, will er dich am Ende vielleicht noch heiraten.“
Für diese Bemerkung hatte er eigentlich eine Ohrfeige verdient. Ich blickte ihn vorwurfsvoll an und knirschte dabei mit den Zähnen. „Hat er dir auch erzählt, dass er mich heute im Gang alleine sitzen ließ, nachdem er mir die Handschellen abgenommen hat?“
Quinn blickte nachdenklich auf die rote Ampel, vor der wir angehalten hatten. „So? Hat er das?“
„Jap. Er ging auf die Toilette. Also, was sagt uns das über deinen neuen Freund?“
„Dass er dir vertraut?“
„Nein …?“ Aber es war schon komisch, dass Quinn die gleichen Worte benutzte wie der blonde Bursche heute Nachmittag. „Es zeigt uns, wie unverantwortlich er handelt. Was denkt er sich dabei, eine Kriminelle unbeaufsichtigt zu lassen?“
„Ja, und was für eine gemeingefährliche Kriminelle du doch bist.“ Quinn rollte dabei verspielt mit den Augen.
Ach, sollte er doch zum Teufel gehen.
Zwei Minuten später rutschte mir das Herz in die Hose, als Quinn den Wagen vor Antonios parkte, dem Restaurant, in dem wir meine Mutter treffen sollten. Ich atmete ein paar Mal tief ein und aus, doch nicht einmal das konnte meine Nerven beruhigen. Quinn sah mich einen Moment lang eindringlich an und machte schließlich den Mund auf, um irgendeinen Schwachsinn von sich zu geben.
Ich streckte ihm meinen Finger ins Gesicht und schnitt ihm damit das Wort ab. „Hör zu, Klugscheißer. Wenn du mir jetzt mit Augen zu und durch! kommst, dann gibt’s was auf die Nase.“
Sein Lachen schallte im Wageninneren. Er strich mir durchs Haar und anschließend über die Wange. „Kopf hoch, Tiger. Du schaffst das schon.“ Dann stieg er aus.
Ich brachte meinen Finger unauffällig in Position, um den Wagen von innen zu verriegeln, sobald er die Tür zuschlagen würde. Verdammt, hätte ich doch nur besser aufgepasst, als Debbie mir vor einiger Zeit erklärt hatte, wie man einen Wagen kurzschließt.
Die Tür immer noch in der Hand, drehte sich Quinn zu mir um. „Was ist? Kommst du?“
„Mach dir nicht ins Hemd, Officer. Ich komm ja.“
Er wartete, bis auch ich ausgestiegen war, bevor er die Tür zuschlug. Der Mann kannte mich viel zu gut. Er drückte einen Knopf auf seinem Schlüssel. Die Blinker leuchteten zweimal auf und der Wagen verriegelte sich automatisch. Ich wartete, bis er
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